Es ist früh am Morgen, alle schlafen noch, als Elle Bishop an einem perfekten Augusttag zum See läuft. Im Sommerhaus der Familie ist etwas passiert: Während Elles Ehemann am vorherigen Abend mit den Gästen lachte, haben Elle und ihre Jugendliebe Jonas sich geliebt. Elle taucht ein ins Wasser, sie weiß, an diesem Tag läuft alles auf eine Entscheidung hinaus.
Ein großer Roman über die Sommer unseres Lebens — und darüber, was es heute bedeutet, eine Frau zu sein.
(Text & Cover: © Ullstein; Foto: © N. Eppner)
Bedrückend und von fiebrigem Sog ist die Geschichte einer Frau, die liebt und leidet und lebt, mit einer Schuld, die vielleicht gar nicht so richtig die ihre ist, aber ihren Lebensweg so sehr beeinflusst, dass sie sich selbst aus den Augen verloren hat.
Zerbrechlich ist das Glück. Aufgebaut auf Lügen. Diese Erfahrung muss Elle machen, seit sie ein Kind ist. Der Schwur der Eltern, dass ihre Töchter das wichtigste in ihrem Leben seien, erweist sich ebenso als Reinfall, wie die Tatsache, dass eine starke Frau alles kriegt, was sie bekommt. Denn letztendlich sind es doch die Männer, die bestimmen und beherrschen. Die ihre Macht dafür nutzen, ihren Willen durchzusetzen und ihre eigenen Kränkungen weniger schlimm erscheinen zu lassen, statt den Schwächeren beizustehen, sie bei der Hand zu nehmen und für eine Gemeinschaft zu sorgen.
Eine Gemeinschaft hatte Elle mit Jonas, ihrem Freund aus Jugendtagen, der sie seit der ersten Begegnung liebt und dessen Kuss im Teenageralter unvergessen bleibt. An diesem Tag im August, lässt Elle ihren Gefühlen lauf. Lässt sich auf körperliche Liebe mit Jonas ein. Sie beide sind verheiratet. Elle hat Kinder, liebt ihren Mann Peter. Doch es gibt ein düsteres Geheimnis, das nur Elle und Jonas kennen.
"Der Papierpalast" wird als Liebesdrama mit Geheimnissen vermarktet, was deutlich untertrieben ist. Erzählt wird auf verschiedenen Ebenen. Eine davon ist der Augusttag, zu dem wir immer wieder zurückkehren, eine andere ist Elles Biografie inklusive Abschnitten aus dem Leben ihrer Mutter. Diese Rückblenden sind geprägt von (sexueller) Gewalt, psychischen Verletzungen, von Schuld und Scham, zwei Gefühle, die nach wie vor noch gerne von Eltern an ihre Kinder abgegeben werden. Nicht zu genügen, verantwortlich zu sein für die Unzulänglichkeiten der Eltern, ertragen zu müssen was immer da kommt, den eigenen Schmerz unterdrücken, um die Eltern zu schützen. Das ist es was Elle und ihre Schwester erfahren. Diese Abschnitte sind bedrückend, beengend. Sie nehmen mir die Luft zum Atmen und bringen meinen Körper in eine Anspannung, die ich nur schwer wieder lösen kann. Ein Gefühl, das ich bisher nur bei einem anderen Buch hatte.
"Der Papierpalast" ist also nicht der leichte Liebesroman, der von Sommergeheimnissen erzählt, so wie ich es vermutet habe. Es ist eine Geschichte von der schmerzlichen Schwüle eines Sommergewitters, bevor es sich mit all seiner Kraft und Gewalt entladen kann. Es ist ein beeindruckendes Konstrukt aus Lügen, Vertrauen, Schuld und Einsamkeit und eine große Leseempfehlung, aber es ist nicht der Sommerspaziergang, der durch die Werbung fürs Buch suggeriert wird.
Buchinfo:
448 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
23,99 €
Rezensionen: © 2022, Nanni Eppner
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