11.02.14

[SERAPH Longlist] Das fremde Meer - Katharina Hartwell

Klappentext:


Eine Liebe, viel zu groß, um sie nur einmal zu erzählen
Dieses Buch ist eine Reise: in die Salpêtrière, die Pariser Psychiatrie, in der Sigmund Freud Schüler bei Charcot war; in den Winterwald, aus dem eine gelangweilte Prinzessin einen Prinzen retten will; in die Wechselstadt, in der ganze Häuser als "Mobilien" durch die Stadt wandern; in die Geisterfabrik, wo Seelenfragmente zu Spiritografien verarbeitet werden… Zehn Kapitel, zehn mal die Geschichte von Marie und Jan.
Marie gehört zu den Menschen, die glauben, dass Katastrophen immer nur die treffen, die nicht auf sie vorbereitet sind. Sie rechnet darum stets mit dem Schlimmsten - und behält recht: Sie ist eine Außenseiterin, ängstlich, verzweifelt, meist stumm und voller Sehnsüchte. Womit sie nicht rechnet? Gerettet zu werden, von Jan, der so anders als sie selbst scheint.
Von ihm fühlt Marie sich gefunden. Doch ganz traut sie ihrem Glück nicht, denn sie weiß: »man kann alles trennen, teilen und spalten, sogar ein Atom«. Was haben Marie und ihre Geschichten dem Schicksal entgegen zu setzen? Kann die Literatur ein Leben retten? Kann sie erzählen, wofür es keine Worte gibt?
 

Autorin:

(Quelle: Berlinverlag)

Katharina Hartwell, 1984 in Köln geboren, studierte in Frankfurt a.M. mit Auszeichnung Anglistik und Amerikanistik. Seit 2010 studiert sie am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Im selben Jahr erschien ihr Erzählungsband »Im Eisluftballon«. Katharina Hartwell war u.a. Gewinnerin des MDR-Literaturpreises und Stipendiatin der Jürgen-Ponto-Stiftung und des Landes Hessen. 2013 ist sie Sylter Inselschreiberin.
»Das Fremde Meer« ist ihr erster Roman.
 

Eigene Meinung:

"Der Umzug war nicht nur die Abkehr von einem vertrauten Ort, sondern auch von einer vertrauten Zeit. In der heimat war ich ein Kind gewesen, und in der Welt der Kinder hatte ich mich gut zurecht gefunden, aber an der Schule waren Kinder keine Kinder, sondern noch nicht voll ausgebildete Erwachsene."
 
Protagonistin Marie ist eine sehr sensible und scheue junge Frau, die gerade zu Anfang oft wie ein hilfloses Mädchen wirkt. Fast durchsichtig schwebt sie durch ihre Welt, die durch einen Umzug völlig aus den Fugen geraten ist. Früher einmal war sie sicher und stark, aber das hat sich irgendwie verflüchtig. Nun ist sie ängstlich und um diese Angst nicht aushalten zu müssen, geht sie immer vom Schlimmsten aus. Bei Telefonaten, Gesprächen usw., Marie rechnet immer damit, dass etwas furchtbares geschehen ist, etwas, das ihr Leben wieder durcheinander bringen könnte. Mit dieser Erwartungshaltung baut sie jedoch einen Schutzwall um sich auf.
 
Einen Schutzwall, der so dick ist, dass nur wenige ihn durchdringen können. Irgendwann begegnet sie Jan. Er gefällt ihr und sie geht eine Beziehung mit ihm ein. Doch auch hier sind Angst und die Mauer ein ständiger Begleiter. Und ist es nicht vielleicht so, dass man sich nicht nur damit schützt, wenn man Erwartungshaltungen hat, sondern diese Erwartungen vielleicht auch herbei ruft?
 
"Das fremde Meer" ist in verschiedene Abschnitte geteilt. Es gibt immer einen Teil, der die gegenwärtige Geschichte von Jan und Marie erzählt und einen Teil, in dem mehrere "Fantasie" Geschichten erzählt werden. Geschichten, in denen sich jedoch auch alles um Jans und Maries Liebe dreht. Es ist ein wenig, als ob sie in den Geschichten ihre Liebe, ihr Leben, ihre Geheimnisse auf- und verarbeiten. Und jeder von ihnen trägt tief in sich Geheimnisse. Ich habe das Gefühl, dass die Geschichten sich mit den beiden entwickeln. Jan und Marie und ihre Beziehung reift und so reifen auch die Geschichten.
 
Maries Geschichten handeln zu Anfang immer erst von düsteren Dingen. Ihre dunklen Augen, die eine gewisse Traurigkeit und Angst widerspiegeln, spielen dabei immer wieder eine Rolle. Es scheint, als habe sie eine Menge psychischer Belastungen zu tragen und eine Art Durcheinander in ihrem Kopf.
 
"[...] Du bist auch hier, weil du dich nicht zusammenreißen kannst und man glaubt, dich zusammenfügen zu können."
 
Es scheint, als wären die Geschichten eine kleine Möglichkeit der Flucht für Jan und Marie. Sie schützen sie vor der Realität. Eine Möglichkeit, die vielleicht der ein oder andere auch gern hätte. Sagt uns dann solch eine Geschichte möglicherweise mehr über einen Menschen aus, als die Dinge, die er in der Realität tatsächlich tut? Denn egal wohin man sich flüchtet, tief im Inneren bleibt man immer der, der man ist.
 

Fazit:

Katahrina Hartwell hat mit ihrem Debüt "Das fremde Meer" einen sehr poetischen Roman geschrieben, dessen Handlungen und Ideen geradezu schweben. Es ist sicher kein Roman für Jedermann und sicher auch nicht zu jeder Zeit das Richtige. Es ist ein Roman voller Vielfältigkeit und Ideen, vor denen ich meinen Hut ziehe. Es ist ein Roman der Möglichkeiten. Der Möglichkeiten für die Protagonisten, aber auch für die Leser, denn diese werden jeder für sich den Roman anders  empfinden, jeder wird ihn anders auslegen und in irgendeiner der vielen Geschichten ein bisschen eigenes.
 

Buchinfo:

Berlinverlag (Juli 2013)
578 Seiten
22,99 €

4 Kommentare:

  1. Das klingt nach einem sehr faszinierenden Buch, von dem ich bislang noch gar nichts gehört habe. Ein Kandidat für meine vorläufige Wunschliste.
    Danke für die schöne Rezension!

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  2. Ja das ist es. Man muss sich diesem Buch allerdings auch öffnen und ihm entgegen kommen. Wie gesagt, es nicht jedermanns Sache so einen Roman zu lesen, wer sich darauf einlassen kann, wird sicher so berührt werden wie ich auch (vielleicht auch noch ein bisschen mehr). Ich könnte mir gut vorstellen, dass es was für dich ist :)

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  3. Deine Rezi ist toll, auch wenn das Buch vermutlich nichts für mich ist. Mochtest du es? Also ich finde, es wird deutlich, dass dich das Buch beeindruckt hat und du die Schreibe mochtest, aber hast du es auch gerne gelesen?

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    1. Danke :)
      Ne, für dich ist das eher nichts. Die Idee ist dann auch irgendwie wieder zu Märchenhaft für deinen Geschmack.
      Ich mochte es ganz gern, es bekommt von mir aber keine volle Punktzahl. Wie ich bei meiner Rezi geschrieben habe muss man den richtigen Zeitpunkt dafür erwischen und den hatte ich nicht zu hundert Prozent. Ich hatte es zwar sehr schnell durch, weil es sich auch einfach wider erwarten schnell liest, und auch interessant ist, ich könnte mir aber auch vorstellen es in Etappen zu lesen, denn ich finde es auch etwas schwierig diese vielen Gefühle die darein gelegt werden auf einmal auszuhalten.
      Ach herrje, das hätte ich noch alles in die Rezi reinschreiben können / sollen ... was einem hinterher immer noch so alles einfällt ...tsss ...

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