21.03.23

[Bilderbuch] Gute Nacht, lieber Panda | Julian Meyer und Timon Meyer



Der kleine Panda hatte einen wirklich tollen Tag und hat allerhand erlebt. Er hat Klavier geübt, gemalt, Freunde getroffen, viel gespielt und viel gelacht. Nun ist es Abend, er ist müde und legt sich zum Schlafen ins Bett. Doch irgendwie findet er keine Ruhe. Da fällt ihm auf, woran das liegen könnte. Er hat dich gar nicht gefragt, wie es dir so geht und wie dein Tag war.



"Gute Nacht, lieber Panda" ist eins von vielen herzigen Bilderbüchern aus der kreativen Feder der Brüder Julian und Timon Meyer. Liebevolle und freundliche Zeichnungen und Texte in Reimform, erzählen eine Geschichte, die sofort gemocht wird.



Dann spricht der Panda die zuhörenden Kinder an. Fragt nach ihrem Befinden. Mal dreht es sich um positives Erlebtes, aber auch um Sorgen und Ängste. Eine entspannte Gesprächsgrundlage für Eltern und Kindern eine . Themen, die von den Kindern vielleicht den ganzen Tag herumgetragen wurden, kommen so noch vor dem Schlafen gehen aus dem Kopf. Situationen, die im Gespräch mit den Eltern, vielleicht aus Scham oder Unsicherheit nicht ausgesprochen wurden, werden vom Panda hervorgeholt. Mit dieser netten Figur zu sprechen fällt den Kindern leicht, weil der Panda ihnen wertfrei und auf Augenhöhe begegnet. 




Die guten Dinge des Tages Revue passieren zu lassen ist ganz im Sinne der positiven Psychologie und richtet den Fokus auf die glücklichen Momente des Tages. Dies geschieht beim Berichten der schönen Erlebnisse des Tages und hilft dabei ruhig und entspannt einzuschlafen.



Mein 4-jährige Tochter ist eher schüchtern, hat sich aber sofort vom Panda angesprochen gefühlt und ihm geantwortet, ohne dass wir ihr das Konzept des Buches erklären mussten. Es bietet eine sehr schöne Grundlage für eine Gesprächsentwicklung zwischen Kind und Eltern und außerdem macht es einfach sehr viel Freude den sehr sympathischen und herzigen Panda und seine Freunde zu begleiten.


Buchinfo:

Diogenes (2023)
ab 3 Jahre
Hardcover, 16 €

17.03.23

Silberregen glitzert nicht | Christine Werner



 

Emely liebt Quizshows und ganz besonders liebt sie es, sich diese gemeinsam mit ihrer Mutter anzuschauen. Ihre Mutter ist für sie die »Königin des Silberregens« beziehungsweise war sie das. Denn statt Fragen zu beantworten, wirft sie momentan eher welche auf. Warum schläft sie so viel? Warum steht sie morgens oft nicht auf? Und wie kann Emely das vor den Nachbarn, Lehrern und ihrem besten Freund Mathis verheimlichen?
(Text & Cover: ©Mixtvision; Foto: ©N. Eppner)

Emelys Mama ist so oft müde. Darum muss sie viel schlafen. Sie verschläft, dass die Kleinen für den Kindergarten angezogen werden müssen, sie verschläft das Frühstück, sie verschläft das Wäsche waschen und die Betreuung der Kinder. Irgendwie muss das mit den vielen Silberpapieren zusammenhängen, die immer in ihrem Zimmer herumliegen. Silberpapiere, die nicht glitzern, sondern Emelys Mama in die Dunkelheit holen.

"Silberregen glitzert nicht" ist ein sehr bewegendes Buch, das Kindern und Jugendlichen ganz einfühlsam das Thema Sucht - im Fall von Emelys Mama Tablettensucht - nahe bringt und ganz sanft und respektvoll zeigt, dass es erlaubt ist darüber zu sprechen und Hilfe zu suchen.

Durch die Tablettensucht ist Emelys Mutter nicht dazu in der Lage sich um ihre Kinder oder den Haushalt zu kümmern. Der Vater ist beruflich immer unterwegs. Emely übernimmt die Aufgaben der Mutter, insbesondere die Versorgung der kleinen Geschwister. Parentifizierung wird diese Situation genannt, die in vielen Familien mit kranken oder süchtigen Eltern stattfindet oder dort, wo Eltern nicht in der Lage sind, sich selbst um ihre Kinder zu kümmern. 

Christine Werner wählt eine behutsame, aber eindrückliche Darstellung dieser Parentifizierung, mit der sich betroffene Kinder sicher gut identifizieren können. Damit bietet sie eine Hilfestellung, die sehr wertvoll ist. Emelys Geschichte sagt."Du bist nicht allein und es gibt einen Weg aus dieser Situation." Der kann über Freunde gehen, muss aber nicht. Oft ist das Thema mit so viel Scham behaftet, dass es einfacher ist mit einer fremden Person ins Gespräch zu kommen, als mit einem bekannten Menschen. Zumal sich Betroffene häufig zurückziehen und isolieren. Scham, das Gefühl von Schuld und Wertlosigkeit können Antreiber sein, ebenso die Angst davor, was mit Eltern und Kindern passieren kann. Mit ihren liebenswerten Figuren schafft Werner Empathie und nimmt Betroffene ganz sanft und feinfühlig an die Hand.

"Silberregen glitzert nicht" ist nicht nur für betroffene Kinder lesenswert, sondern auch für alle anderen Menschen. Um Missstände in Familien aufzudecken, muss ein Kind ca. 7 Erwachsene ansprechen bzw. muss etwa diese Anzahl an Erwachsenen etwas ahnen oder wissen, bevor etwas geschieht. Christine Werner sensibilisiert die Augen offen zu halten, Kinder ernst zu nehmen, nicht zu verurteilen, aber empathisch Unterstützung anzubieten. Mich hat sie mit ihrem Roman sehr bewegt. Ich sage gerne, dass der letzte Satz ein paar Tränchen bei mir hervorgeholt hat. Ich wünsche dem Buch sehr viele Leserinnen und Leser und werde mein Exemplar an meine Freundin weitergeben, die als Schulsozialarbeiterin die Schulbibliothek betreibt. Vielleicht kann Christine Werner auch dort ein Kind an die Hand nehmen.


Buchinfo:

Mixtvision (2023)
208 Seiten
Gebunden, 16,00 €


Rezensionen: ©2023, Nanni Eppner

14.03.23

Der Paria. Der stählerne Bund 01 | Anthony Ryan (Übersetzung: Sara Riffel)



 

Ein Verrat trifft den Gesetzlosen Alwyn wie ein Blitz und führt auf einen Pfad voller Blut und Rache. Es dauert nicht lange, da findet er sich als Gefangener und Arbeiter in den Erzminen wieder, wo er unter den verwahrlosten Gefangenen Sihlda kennenlernt, eine Frau,die für diesen Ort seltsam gelehrt ist. Sie bringt Alwyn das Lesen und Schreiben bei. Und dann begegnet er auch noch Evadine, einer Frau, die aus ganz anderem Holz geschnitzt ist und an deren Seite er in den Kampf gegen dunkle Mächte ziehen wird. Beides wird ihn und womöglich das ganze Reich von Albermaine für immer verändern.
(Quelle Text & Cover: ©Hobbit Presse, Foto: ©N. Eppner)

Anthony Ryan ist einfach ein großartiger Geschichtenerzähler. Mit seinen Worten geht immer das Gefühl von großen Abenteuern einher, von Abenden am Lagerfeuer, von mit allen Sinnen in seinen Erzählungen verschwinden. "Der Paria" bildet da keine Ausnahme. Es hat einfach nur Spaß gemacht diesen Auftakt einer neuen Trilogie zu lesen.

Alwyn ist Teil einer Bande aus Gaunern und Schurken. Ihr Anführer der Bastard des Herzogs. Als der alte Herzog geköpft wird, nimmt das Rad des Schicksals seinen Lauf und scheint alles zu zerbrechen, was Alwyns Leben ausmachte. Doch irgendwie gelingt es Alwyn immer mit Raffinesse und einer ordentlichen Portion Glück aus dem Morast herauszukommen und seinen Weg zu gehen. Bis das nächste Hindernis kommt. Oder eben die dunklen Mächte...

Ryan spielt in "Der Paria" mit der Vorstellung von Gut und Böse. Mit dem was sich die Allgemeinheit unter Schurken vorstellt, unter Räubern, die ohne mit der Wimper zu zucken morden, nur um zwei Goldstücke zu bekommen. Es gibt im Roman einige Figuren, die an der Grenze des Wahnsinns leben, die Psychopathen gleichkommen, aber es gibt eben auch diejenigen, von denen wir nicht so genau sagen können, ob sie nicht vielleicht doch ein Fünkchen Gutes in sich tragen. So hält Ryan nicht nur die Erzählung spannend, sondern auch die Figuren. Füllt sie mit Charakter und lässt uns Lesende immer wieder darüber nachdenken, ob wir sie mögen oder nicht.

Ryans Weltenbau ist angelehnt an ein mittelalterliches Setting. Wer dahinter einen Roman mit starken Fantasyelementen erwartet, wird enttäuscht werden, wenn auch einzelne Erzählstränge daraufhin deuten, dass sich diese Situation ändern wird. Der Titel des zweiten Teils "The Martyr" lässt darauf schließen, dass wir dann auch noch mehr über Evadine erfahren, die als starke und geheimnisvolle Figur auftritt. Ich mag die Düsternis, den Dreck, die Rohheit, die dieses Setting mitbringt. Wer kein Blut sehen kann, möchte hier und da vielleicht wegschauen, aber es passt in die Geschichte, wirkt nicht dazwischen gesetzt, um künstlich Spannung zu erzeugen und rundet den ersten Band einer vielversprechenden Reihe zu einem echten Anthony Ryan ab. 

Buchinfo:

720 Seiten
Gebunden mit Schutzumschlag
26,00 €

09.03.23

Reporterin für eine bessere Welt | Ulrike Fuchs aus der Reihe: Bedeutende Frauen, die die Welt verändern





1887: Die junge Reporterin Nellie reist mit großen Zielen nach New York. Sie will für die renommierteste Zeitung arbeiten: Joseph Pulitzers World. Doch in der ganzen Stadt sind Frauen in der Presse unerwünscht. Schließlich bekommt Nellie die lang ersehnte Chance, sich zu beweisen: eine Reportage über die berüchtigte Nervenheilanstalt für Frauen. Dafür soll sie sich unter falschem Namen dort einweisen lassen. Ausgerechnet ihre große Liebe, Jonathan, ist strikt dagegen. Nellie muss für ihre Karriere alles riskieren. Auch ihre Zukunft mit Jonathan?
(Text & Cover: ©Piper; Foto: ©N. Eppner)

Ich mag die Romanreihe der bedeutenden Frauen, denn dadurch bekommen Frauen, die bewegendes geleistet haben, aber in der Weltgeschichte immer hinter Männern zurückstehen, eine Stimme. Nicht alle Frauen, über die in dieser Reihe geschrieben wird, sind mir bis dato bekannt. So auch Nellie Bly. Obwohl Nellie Bly das erstaunliche Abenteuer in 72 Tagen um die Welt zu reisen, unternahm, war mir ihre Geschichte noch nicht begegnet.

Um ihre Reise geht es in "Reporterin für eine bessere Welt" nicht. Inhalt dieses Romans ist eine andere erstaunliche Reportage der Frau, die als Pionierin des investigativen Journalismus gilt. Im Jahr 1887 lies sie sich als verdeckte Ermittlerin in einer berühmt berüchtigten (eher letzteres) Nervenheilanstalt für Frauen einweisen. Ein gefährliches Unterfangen, wenn wir bedenken welchen Stellenwert psychisch kranke Menschen in dieser Zeit hatten und welchen Frauen. Später sollte sie noch weitere Aufträge erhalten, in denen sie soziale Missstände aufgedeckt wurden.

Bei "Reporterin für eine bessere Welt" handelt es sich um eine fiktive Romanbiografie, die auf echten Daten und Fakten aus dem Leben von Nellie Bly basiert. Auch historische Hintergründe werden realistisch dargestellt. So zum Beispiel die Missstände in der Übersiedlung der Auswanderer oder eben die wenigen Rechte von Frauen. Diese werden von Autorin Ulrike Fuchs gut dargestellt. Mit wenig Nachdruck und Dramtik, aber so, dass ein authentisches Bild entsteht. Insgesamt ist die Geschichte, trotz der schockierenden Erlebnisse in der Nervenheilanstalt, eher romantisiert dargestellt und. Auch wenn ich mir noch ein bisschen mehr Spannung und weniger Leichtigkeit gewünscht hätte, hat mich Ulrike Fuchs gut unterhalten. Mein Interesse an Nellie Bly wurde geweckt und ich möchte unbedingt noch etwas über ihre Weltreise lesen.


Buchinfo:

368 Seiten
Paperback 15,00 €


Rezensionen: ©2023, Nanni Eppner

01.03.23

Storchenherzen | Fritzi Teichert



 


Helga betreibt zusammen mit Kollegin Monika eine kleine Hebammenpraxis. Zwar liebt Helga ihren Job, aber nicht alle werdenden Mütter können mit ihrer ruppigen Art etwas anfangen. Zum Glück taucht Madita auf: Sie ist seit Kurzem ausgebildete Hebamme, zwanzig Jahre jünger und strotzt vor Tatendrang.

Helga ist entsetzt: Madita redet ohne Punkt und Komma, ist ekelhaft fröhlich und macht laufend esoterische Verbesserungsvorschläge. Zu allem Überfluss hat Helga eine handfeste Ehekrise …

Auch für Madita ist der Start ruckelig: An ihrem ersten Tag verursacht sie beinahe einen Unfall: Doch statt der Versicherung tauchen plötzlich lästige Verliebtheitsschmetterlinge auf …
(Text & Cover: ©dtv; Foto: ©N. Eppner)

Wohlfühlroman, das ist der Stempel, den ich "Storchenherzen" ohne mit der Wimper zu zucken aufdrücken würde. Mit ganz viel Charme zaubert das Autorinnenduo, bestehend aus Mina Teichert und Friederike Grauf, zwei Protagonistinnen, die mich prompt mit Fröhlichkeit und Regenbogenmähne, Grummeligkeit und Kaffeesucht einnehmen konnten. Mit beiden Charakteren konnte ich mich gut identifizieren. Ich fühle mich irgendwo zwischen Helga und Madita, fühle mich mit ihnen verbunden und glaube, dass es vielen Leserinnen ähnlich ergehen wird.

Madita ist laut, sonnig, vielleicht ein bisschen zu verliebt in den Gedanken alles und jeden retten, allen helfen und alles positiv sehen zu können, aber sie ist eine absolut charmante Person, die mit so viel Schwung durchs Leben geht, dass sie hier und da mal etwas durcheinander wirbelt. Zum Beispiel den Alltag ihrer spießigen Mitbewohner*innen und das Leben von Helga, ihrer Kollegin im neuen Hebammenjob. Helga ist bodenständig, nutzt nur so viele Worte wie dringend notwendig und hat keinerlei Verständnis für übervorsichtige werdende Eltern. Das macht sich auch in der Google Bewertung des Storchennests bemerkbar, aber was interessiert Helga schon das Internet?

Ich selbst hatte beim ersten Kind noch eine sehr gute Hebammenbetreuung. Wenn ich eins gelernt habe in der Schwangerschaft, dann ist es, vehement meine eigenen Rechte und Bedürfnisse zu verteidigen und dafür bin ich meiner Hebamme sehr dankbar. Fritzi Teichert zeichnet ein realistisches Bild über den Beruf der Hebamme, der immer schwieriger wird, weil so viele Leistungen nicht mehr von der Krankenkasse übernommen werden, aber für Eltern so wichtig sind. Ein sehr allumfassender Beruf, in dem Tag und Nacht gefordert wird und in dem so viel geleistet wird. Auch präventiv.

Ich war richtig traurig, als ich Madita und Helga wieder verlassen musste, zumal gerade so viele Wendungen im Leben der beiden passieren, die nicht nur mit Babys zu tun haben. Wenn ich das dem Anhang des Buches richtig entnommen habe, wird es aber ein Wiedersehen geben und darauf freue ich mich schon sehr.


Buchinfo:

496 Seiten
Taschenbuch 11,95 €


Rezensionen: ©2023, Nanni Eppner

20.02.23

In blaukalter Tiefe | Kristina Hauff




 

Ein Segeltörn in die wildromantischen schwedischen Schären – Caroline und ihr Mann Andreas erfüllen sich damit einen lang gehegten Traum. Auch Andreas’ junger Anwaltskollege und seine Freundin sind an Bord sowie der undurchschaubare, faszinierende Skipper Eric. Der Urlaub beginnt mit frischem sonnigen Wetter und erlesenen Abendessen, doch bald wird die See rauer und verborgene Konflikte lassen die Luft unter Deck immer drückender erscheinen. Bis eines Nachts ein gefährlicher Sturm losbricht.

Mit spannenden Wendungen und atmosphärischen Naturschilderungen erzählt Kristina Hauff von dem, was unter der Oberfläche eines scheinbar perfekten Lebens brodelt. Und von einer Nacht, deren tödliche Bedrohung folgenschwere Wahrheiten ans Licht bringt.
(Text & Cover: © hanserblau, Foto: © N. Eppner)

Vom ersten Abschnitt an packt mich Kristina Hauff mit ihrem neuen Roman, der so spannend ist, dass ich ihn kaum aus der Hand legen kann. 

Ich begegne einer Frau, die sich auf einer Suche befindet. Eine Begegnung lässt sie aufmerksam werden. Ein Telefonat eröffnet mir, dass etwas schlimmes, etwas Lebensveränderndes geschehen ist. Und, dass es eine Person gibt, die daran Schuld ist. Im nächsten Kapitel springe ich in der Zeit zurück. Sechs Wochen. Da beginnt das Drama. Mich interessiert nichts anderes mehr, als das Wissen darum was passiert ist.

Die Dramatik der Reise ins erste Kapitel zu packen ist ein genialer Schachzug von Kristina Hauff. Ein Stilmittel, das für eine kaum aushaltbare Spannung sorgt. 

Im Mittelpunkt ihrer Geschichte stehen zwei Paare. Andreas, erfolgreicher Anwalt und seine Karriereorientierte Frau Caroline, Daniel, der unbedingt Partner in Andreas' Kanzlei werden möchte und seine Freundin Tanja, Altenpflegerin. Von Anfang an besteht ein Machtgefälle, das sich durch Gespräche, Situationen, eigene Wünsche und Sehnsüchte eine eigene Dynamik bekommt. Der enge Raum auf dem die vier nun für einige Zeit leben, tut sein Übriges, sowie Eric, der geheimnisvolle Skipper. Menschen werden wie Spielbälle behandelt, hin und hergeworfen, ohne Rücksicht. Alles was zählt ist das Erfüllen eigener Bedürfnisse, ohne diese genau zu erkennen. Der Konsum von Macht, um so eine Stabilität herzustellen, die auf maroden Fundamenten aufgebaut wird.

Wie sehr lassen wir uns von anderen beeinflussen? Streben nach augenscheinlich besserem, ohne zu wissen, welche Dunkelheit dahinter lauert und ob es uns überhaupt glücklich machen wird. Gesellschaftliches Ansehen durch Verlust der eigenen Werte. Einen Strudel, den wir nur verlassen können, wenn es uns gelingt wieder Eigenverantwortung zu übernehmen.

Manchmal sind es die kleinen Zufälle, die etwas verändern. Begegnungen, Menschen, innere wie äußere Umstände. Wie viele Abzweigungen gibt es für einen Weg und wie wähle ich den richtigen? Im Fall von Andreas, Caroline, Daniel und Tanja muss es erst zur lebensbedrohlichen Situation kommen, damit sie klar sehen können.

Leseempfehlung für "In blaukalter Tiefe".


Buchinfo:

hanserblau (2023)
288 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
22,00 €


Rezensionen: ©2023, Nanni Eppner

19.01.23

Ginsterhöhe | Anna Maria Caspari

Werbung*




1919: Körperlich und psychisch schwer versehrt kehrt der junge Bauer Albert Lintermann in sein Heimatdorf Wollseifen zurück. Seine Frau Bertha begegnet ihm mit Abscheu und Entsetzen. Doch Albert lässt sich nicht unterkriegen, und es gelingt ihm, seinen Platz in der Familie und der Dorfgemeinschaft wiederzufinden, nicht zuletzt, weil ihm Leni, die Verlobte seines im Krieg gefallenen Freundes, dabei hilft. Eine Zeitlang sieht es so aus, als könne das Leben wieder in geordneten Bahnen verlaufen: die Familie wächst, der Hof wird größer und trotz der zunehmenden Inflation hält der Fortschritt Einzug in Wollseifen. Bis die Nationalsozialisten in die karge ländliche Idylle einfallen und das Schicksal der kleinen Eifelgemeinde und ihrer Bewohner für immer besiegeln …
(Text & Cover: ©Ullstein; Foto: © N. Eppner)

Obwohl ich schon viele Bücher gelesen habe, die in der Zeit nach dem ersten oder um den zweiten Weltkrieg herum angesiedelt sind, bietet mir "Ginsterhöhe" viel Neues. Wissen über einen Ort in der Eifel, der Heimatlos wurde. Wissen über die Strukturen des Nationalsozialismus, der Menschen systematisch vernichtet. Wissen über das ländliche Leben in den 20er /30er/40er Jahren. Verpackt in eine Geschichte über Menschen, die durch ihre Heimat verbunden sind, aber unterschiedliche Gefühle hegen gegenüber dem Leben, der Vergangenheit, der Zukunft, dem was Erfolg ausmacht, der Heimat und den Menschen, die ihnen nahe sind.

Albert Lintermann ist einer der Protagonisten. Ein sympathischer Kriegsveteran, der viel zu jung in den Krieg zog und dort schwer verletzt wurde. Sein Gesicht wurde zersprengt oder zerschossen, der einst begehrte junge Mann trägt keine Schönheit mehr nach außen. Die Oberflächlichkeit seiner Mitmenschen wertet ihn ab, man reduziert ihn mehr denn je auf sein Äußeres, vergisst, dass er ein tüchtiger Bursche war, hilfsbereit und beliebt. Das alles scheint an Albert abzuprallen bis sich die Gemüter beruhigen, doch die Ablehnung der eigenen Ehefrau ist kaum zu ertragen und so geschieht ein Unglück, das er noch Jahre später bereut.

Kaum ist Albert wieder auf den Beinen, sieht er sich neuen Gefahren gegenüber. Einem Großgrundbesitzer, der mit seiner Gier perfekt in das Beuteschema der Nationalsozialisten passt. Wer nach materiellem strebt, verlernt Menschlichkeit. Betrügt, um zu gewinnen, verrät, intrigiert.

Anna Maria Caspari hat einen spannenden Roman geschrieben, in dem sie sich nur selten dem klassischen Spannungsbogen bedient, sondern vielmehr die Charaktere arbeiten lässt. Um dem Lebensweg Alberst zu folgen, möchte ich Seite um Seite lesen und das Buch möglichst selten aus der Hand legen. Er ist ein interessanter Protagonist, geht seinen Weg, hat seine Werte nach denen er leben und arbeiten möchte und bedient verschiedene Rollen vom Bauer über den Vater bis hin zum Kriegsveteran.

Eingebettet ist seine fiktive Geschichte in die realen Begebenheiten des 20ten Jahrhunderts. Der Ort Wollseifen, in dem Albert lebt, liegt nahe der NS-Ordensburg Vogelsang, die als Schulungsstätte für den NSDAP Nachwuchs diente. Vogelsang dient heute als Dokumentationsstätte. Wollseifen steht unter Denkmalschutz. 

Caspari entwirft einige Figuren, deren Verfolgung durch die Nationalsozialisten von vorneherein klar ist. Sie spielt mit dem, was wir heute über diese Zeit wissen und baut so schon Spannung auf, bevor wir Lesenden überhaupt chronologisch dort landen, wo die Charaktere in Lebensgefahr geraten. Mit "Ginsterhöhe" entwirft sie nicht nur eine spannende Spiegelung der damaligen Zeit und der ländlichen Lebensweise, sondern auch eins der Bücher, die aufklären #gegendasvergessen


Buchinfo:

Ullstein (2022)
400 Seiten
Paperback 16,99 €


* dieser Beitrag ist eine bezahlte Kooperation zwischen Ullstein Verlag, Nonstop Creating und Nannis Räuberleben


Rezensionen: ©2023, Nanni Eppner