"Ein Lächeln kann klein, sogar winzig, kaum wahrnehmbar sein. Man kann auch nur mit den Augen lächeln. Ein magisches, geheimes Lächeln, das niemand sehen soll, das man aber nicht unterdrücken kann. Oder ein magisches, geheimes Lächeln, das nur ein einziger Mensch sehen soll - der, den man am meisten liebt und der dein Gesicht am besten kennt."
Moses, der Bruder der 11-jährigen Kaia lebt nicht mehr. Seit seinem Tod ist Zuhause alles anders. Festgefroren, wie Kaia sagt. Ihre Gefühle, die der Mutter und sowieso irgendwie alles um sie herum. Sie zieht sich zurück, nimmt ihr Umfeld nicht mehr richtig wahr, ist vergraben in ihrer Trauer. Die Mutter bekommt nichts mit, denn auch sie kann den Verlust kaum überwinden. Ist so tief verletzt, dass sie aus der Schlucht aus Trauer und Einsamkeit nicht mehr heraus kommt.
"Ich bin festgefroren in der Vergangenheit. Festgefroren seit einem Tag, den ich niemals vergessen werde."
Dann taucht in der Schule ein neue Junge auf. Er ist anders als die anderen Kinder. Wild und mutig, macht das, was ihm gerade durch den Kopf geht. Setzt sich zur Wehr und lässt sich durch nichts einschüchtern. Doch er spricht nicht. Nie, mit Niemanden. Und trotzdem gelingt es ihm auf eine seltsame Art und Weise Kaia aus ihrer Starre heraus zu reißen. Zurück ins Leben zu katapultieren. Aber wer ist dieser Junge eigentlich, den scheinbar nur Kaia wahrnimmt?
"Der Junge ist wirklich wild. Und was soll verkehrt daran sein?
Wilde Tiere sind ungestüm und gefährlich und frei. Wildblumen sind die edelsten und schönsten. Und wilde Gedanken sind es, die uns das Gefühl geben, am Leben zu sein."
Kaia hat mich sehr berührt. Ihre Trauer, die so tief in ihr drin steckt, fest verankert, eine Last, die sie in die Tiefen der Einsamkeit zieht, ist so stark greifbar, dass sie direkt auf den Leser überspringt. Bedrückend, wie sehr dieses Mädchen, das so zart und zerbrechlich wirkt, som Tod des Bruders in Mitleidenschaft gezogen wird. Es ist nicht nur die Trauer, die ihr zu schaffen macht, sondern der ganze Sog an Beziehungskonflikten und Verwundbarkeit, den der Tod mit sich zieht. Vor allem das Verhältnis zur Mutter, die kaum Kraft hat sich um Kaia zu kümmern, leidet sehr darunter.
"Ich friere sie in diesem Stadium ein, denn ich halte es nicht aus, wenn sie noch größer werden."
"Der Schatten meines Bruders" ist ein Roman mit viel Gefühl, poetisch geschrieben und sehr tiefgreifend. Nicht immer sind es schöne Gefühle, die der Leser während des Lesens in sich aufnimmt und dennoch ist es eine Geschichte, die man mag. Ich bin zwar etwas zwiegespalten, da es einige Elemente im Roman gibt, die ihm die Authentizität nehmen und dadurch meinen Lesefluss etwas hemmen, aber die berührende Geschichte dieses sympathischen Mädchens wiegt das Ganze wieder auf. Es sind nicht die Elemente, in denen Fantasie und Wirklichkeit verschwimmen, die mich stören, sondern die Art, wie der Autor sie herüber bringt. Einem Debütanten sei dies verziehen. Mit Recht wurde dieser bewegende Roman, der vom Verlag Beltz & Gelberg mit so viel Liebe gestaltet wurde, mit dem LUCHS ausgezeichnet und landete auf der Liste der 7 besten Bücher für junge Leser. Ein kleines Büchlein, das tief bewegt.
"Zwei Menschen müssen nicht reden, sie müssen nur reagieren."
Buchinfo:
Beltz & Gelberg (Frühjahr 2014)
149 Seiten
12,99 €
Übersetzer: Wieland Freund
Ich dachte erst, das Buch wäre etwas für mich, aber wenn in solchen Büchern Realität und Fantasie verschwimmen, kann ich damit ja immer nicht so richtig gut umgehen. Klingt trotzdem so, als sollte man sich den Autor merken.
AntwortenLöschenIch stimm Dir bei Deiner Rezi so zu :)
AntwortenLöschenIch hab den Roman auch vor kurzem gelesen und war sehr begeistert. Ich fand ihn sehr berührend und ergreifend und Du hast vollkommen recht, er ist wirklich sehr liebevoll gestaltet. :)
Ich bin gespannt was wir in Zukunft noch so alles von dem Autor lesen werden.
LG Ela
In letzter Zeit erscheinen sehr viele Jugendbücher, die sich mit dem Tod von Familienmitgliedern/engen Freunden auseinandersetzen - oder kommt mir das nur so vor? Dieses hier klingt auf jeden Fall interessant. So ein Verschwimmen von Fantasie und Wirklichkeit hat mir auch bei "Vicky Angel" schon sehr gut gefallen.
AntwortenLöschenVielen Dank für diese wundervolle Rezi! Obwohl ich solche Titel eher selten lese, hast du es geschafft, mich neugierig zu machen und das Buch auf meine WuLi zu setzen!
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