„Man konnte sein Kind ’Ehre’ nennen, sofern es ein Junge war. Männer besaßen Ehre. Greise, Männer mittleren Alters, ja selbst kleine Schuljungen, die noch nach der Milch ihrer Mutter rochen. Frauen besaßen keine Ehre, sie besaßen Scham. Und ’Scham’, das wusste jeder, wäre ein ziemlich schlechter Name.“
Es ist schon eine Weile her, dass ich diesen Roman gelesen
habe, der in gleicher Weise wundervoll und doch bedrückend ist. Der mich mit
Worten berührt, belastet und verzaubert. Worte, die sich in Gedanken verformen,
die mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf gehen, denn Autorin Elif Shafak spricht
Themen an, die angesprochen werden sollten, und lässt ihre Charaktere eine
Härte spüren, die sich dem Stil ihrer Sprache so sehr widersetzt, wie einige
ihrer Protagonisten es gegenüber ihrem Schicksal versuchen.
„Niemand wusste es,
doch tief in ihrem Herzen war Jamila bereits verheiratet – mit ihrem Schicksal.“
Schicksal ist eins der gewichtigen Themen im Roman. Ist der
Lebensweg von vornherein bestimmt? Ist es einfacher diesen so hinzunehmen und
zu ertragen oder versucht man besser dagegen anzukämpfen? Sein Glück selbst in
die Hand nehmen, um nach Anstrengung und Not dann doch auf eben diesem
vorgezeichneten Weg zu landen? Oder eben nicht? Wie weit wird dies beeinflusst
von Familie, Kultur, Glauben?
„Er warf Gegenstände
an die Wand vor lauter Hass auf die ganze Welt, die ihn in die Enge trieb und
in der die Angst vor dem Schatten seines missbrauchenden Vaters nur darauf
lauerte, ihm zu sagen, dass er ja letztlich nicht so anders sei als dieser.“
Es ist nicht nur ein Roman über Schicksal, sondern – wie der
Name schon sagt – über Ehre und auch über Schuld und Vergebung. Alles Themen,
die darauf basieren, dass sie für verschiedene Menschen, verschiedene Bedeutung
haben. Ehre ist Auslegungssache. Was dem einen wichtig ist, ist für den anderen
vielleicht unwichtig. Wieder eine Frage von Familie, Kultur, Glauben. Eine
Frage, die zu Konflikten führen kann und die den Lebensweg einer Person so
zeichnen kann, dass sie erst dadurch zu einer individuellen Persönlichkeit
werden kann. Und letztendlich geht es allen doch gar nicht um so ganz große
Dinge, sondern um Anerkennung und Zuneigung.
„Die Liebe war eine
Krankheit, belebend und erhebend, aber eine Krankheit.“
„Ehre“, der neuste Roman der türkischen Schriftstellerin
Elif Shafak ist ein besonderer Roman, der nicht nur berührt, sondern zugleich
spannend und mitreißend ist. Die dunkle Seite im Menschen kommt zum Vorschein
in dieser Geschichte, die sich über mehrere Generationen einer Familie
hinzieht. Ein Buch, das sehr achtsam gelesen werden sollte, denn die Worte der
Autorin sind sehr weise und gewichtig und finden fast alle im späteren Verlauf
der Geschichte noch einmal Bedeutung. Man sieht sich immer zweimal im Leben. So
hoffentlich auch ein weiterer Roman dieser sprachgewaltigen Autorin, deren
Sätze ich regelrecht aufgesogen habe, und ich.
Buchinfo:
528 Seiten
22,90 €
Originaltitel: Honour
Übersetzerin: Michaela Grabinger
Noch ein Buch, das ich unbedingt lesen will und schon länger auf meiner Wunschliste steht! Wir dürften einen ähnlichen Geschmack haben!
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Martina
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AntwortenLöschenLook advanced to more added agreeable from you! By the way, how
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