"Ist das jetzt hier wirklich mein Zuhause? Am meisten graut es mich davor, am Montag in meine neue Klasse zu kommen. Ich will gar keine neuen Freunde, ich habe schon genug alte Freunde. In meinem Herzen ist überhaupt kein Platz für irgendwelche Dorfjugendlichen."
Laura, Stadtmädchen durch und durch, zieht aufs Land. Papa hat dort eine neue Stelle bekommen, und er und Mama freuen sich auf das neue Haus, das in einer ruhigen und idyllischen Gegend liegt. Zu ruhig nach Lauras Geschmack. Und sowieso und überhaupt, möchte sie weder woanders wohnen, noch neue Freunde finden. Denn ihre alten Freundschaften sind ihr wichtig und eben auch nicht so leicht zu ersetzen.
Die neue Schule scheint ganz okay zu sein. Die Schüler sind nett zu ihr, haben aber ganz andere Hobbys und Interessen, als in ihrer Heimatstadt. Einzig Enzo, der süße Halbitaliener, und Irina, die etwas verrückt ist und sich von den anderen abgrenzt, scheinen mit ihr auf einer Wellenlänge zu liegen. Mit Irina entwickelt sich etwas, das eine gute Freundschaft werden könnte. Doch dann küsst Irina Laura in aller Öffentlichkeit. Das Gefühl, das sie damit bei Laura auslöst, ist eigentlich ein ganz schönes.
" 'Ich meine, dass küssen so großartig ist ... In jedem Film ist der Kuss der absolute Höhepunkt, dieses sich in die Augen schauen, und die Lippen sind kurz davor, sich zu berühren, aber man hält noch inne, wartet auf den Augenblick, bevor die Bombe hochgeht, bevor es einen in Stücke reißt! Keine Ahnung, warum Leute so Ersatzzeug brauchen wie Bungeejumping oder Koks oder Paintball. Sie müssen einfach mehr küssen!"
Patrycja Spychalski zählt zu meinen LieblingsautorenInnen, seit ich ihren Roman "Fern wie Sommerwind" gelesen habe. Aus dem Herzen spricht sie mir mit ihren Bücher "Ich würde dich so gerne küssen" und "Der eine Kuss von dir" und auch Kims und Jacobs Reise durch die Nacht ("Bevor die Nacht geht") habe ich sehr gerne begleitet. Lieblingsautorinnen sind aber nicht nur da, um deren Bücher bedingungslos anzuschmachten, sondern auch, um Diskussionsgrundlage zu bieten und beim Leser anzuregen, auch nach beenden des Buches noch ein wenig darüber nachzudenken. Das hat sie mit "Auf eine wie dich habe ich lange gewartet", das ich innerhalb weniger Stunden verschlungen habe, weil ich unbedingt wissen wollte, wie die Geschichte weiter verlaufen und enden wird, absolut geschafft.
Grund dafür sind zum einen das Thema Toleranz, zum anderen die Figur der Irina. Toleranz ist ja so eine Sache. Man spricht davon, erwartet sie von anderen, sollte aber auch immer darauf achten, dass man selbst nicht vergisst, tolerant zu sein. Ich fühle mich da selbst angesprochen, denn mich regt zwar auf mit welcher Skepsis die "Dorfjugendlichen" Laura entgegen stehen, vor allem nachdem sie und Irina sich geküsst haben, mit welchen Vorurteilen aber auch Laura ihnen entgegen tritt, bin aber selber wenig tolerant gegenüber Irina. Sie ist diejenige, von der die Aussage "Auf eine wie dich habe ich lange gewartet" getätigt wurde. Gemeint ist damit Laura, die einfach mehr zu Irina passt, als die anderen Mädchen im Ort. Ähnlicher Musikgeschmack, ähnliche Interessen und dann sind da auch noch die Schmetterlinge, die sich beim Anblick der jeweils anderen einstellen. Klingt zunächst positiv und dennoch habe ich das Gefühl, das Irina Laura für ihre Vorteile, zu ihren Gunsten nutzt und bin mir gar nicht so sicher, wie sie diese Aussage genau gemeint hat, was sie von Laura erwartet. Ich frage mich, ob mein Blick da zu verbohrt ist, ob ich mich für die "besondere Liebesgeschichte", die im Klappentext angepriesen wird, nicht öffnen kann, oder ob ich Irina da einfach falsch einschätze?
Sie ist auf jeden Fall der Grund, warum ich dem Roman Punkte abziehe, denn ich muss einfach eine Harmonie zwischen mir und den Protagonisten spüren. Eben irgendwie passend zu dem Gedanken, dass es eigentlich egal ist, wo du lebst, Hauptsache du hast Menschen um dich herum, die dich mögen und die du magst.
Mit Laura und Enzo und einigen der Nebendarstellern war das so. Die sehr echten Charaktere, die wunderbare Schreibe der Autorin, die sich auch in ihrer fünften Veröffentlichung im cbt Verlag wieder so fein um den Leser schmiegt, und der Gedanke, dass man eben manchmal etwas ausprobieren muss, um zu wissen, was man möchte, haben "Auf eine wie dich habe ich lange gewartet" zu dem herznahen Leseerlebnis gemacht, das ich von Pattys Romanen gewohnt bin.
"Marlene löst einen ihrer Zöpfe und fängt an ihn neu zu flechten. 'Ich habe neulich in der Brigitte von meiner Mutter gelesen, dass Entscheidungen zu treffen, die schwierigste Aufgabe im Leben ist.' "
Manchmal ist es erforderlich all seinen Mut aufzubringen neue Wege einzuschlagen. Wege, die ungewöhnlich und beängstigend sind, die aber dafür sorgen, dass man Erfahrungen sammelt und so die Entscheidung treffen kann, welcher nun der Richtige für einen ist. Wege, die dafür sorgen, sich selbst zu finden.
Buchinfo:
cbt (Juli 2015)
320 Seiten
Taschenbuch
9,99 €
Beim Buchladen am Freiheitsplatz versandkostenfrei bestellen.
Huhu! :)
AntwortenLöschenEine schöne Rezension! Da hast du mich gleich neugierig gemacht...das Büchlein wandert schonmal auf meinen Merkzettel. :)
Liebste Grüße
Nina ♥♥♥
Hallo
AntwortenLöschenAufgrund deiner Rezi muss ich das Buch unbedingt haben.
Liebe Grüße, Gisela
Hallo,
Löschenhast du die anderen Bücher von P. Spychalski schon gelesen? Die solltest du dir direkt mit besorgen ;)
Liebe Grüße
Nanni
Liebe Nanni,
AntwortenLöschen"Toleranz ist ja so eine Sache. Man spricht davon, erwartet sie von anderen, sollte aber auch immer darauf achten, dass man selbst nicht vergisst, tolerant zu sein." - da stimme ich dir absolut zu. Wie oft behauptet man von sich ganz großspurig, tolerant zu sein. Und vergisst es, wenn es dann wirklich darauf ankommt. Das sollte man immer im Blick haben. Deine Rezi ist toll, man merkt nicht, dass du Schwierigkeiten hattest, deine Gedanken zum Buch niederzuschreiben. Ich kann auch kompett verstehen, welche zwiespältigen Gefühle Irina bei dir ausgelöst hat. Ich mochte sie, glaube aber, sie wusste selbst nicht genau, was sie will. Ihre Aussage war vielleicht so dahingesagt, oder auf gemeinsame Interessen bezogen, weil sie ja sonst im Dorf keine richtige Freundin hatte. Wahrscheinlich war sie selbst überrascht, wie sich die Dinge entwickelten. Macht Spaß, das Buch nochmals Revue passieren zu lassen :-)
Drück dich!
Damaris
Liebe Damaris,
Löschenmit Irina hat Patty definitiv eine interessante Figur erschaffen. Im Nachhinein bin ich auch ein bisschen nachsichtiger mit ihr, denn für einige ihrer Handlungsweisen gibt es plausible Gründe. Außerdem gehört ihr Verhalten ja auch ein bisschen zu dem Alter dazu. Beim Lesen hat sie jedoch einfach diese Gefühle bei mir ausgelöst und deshalb mussten sie genau so wiedergegeben werden. Vielleicht versöhne ich mich irgendwann mal mit ihr.
Ich finde, der Roman hat Fortsetzungspotential ;)
Liebe Grüße
Nanni