Benjamins Vater trotz der Geburtenkontrolle und erfüllt seinen Wunsch, eine große Kinderschar um sich zu haben. Ikenna, Boja, Obembe, Ben, David und Nkeme. Für sie alle erträumt er sich eine großartige Zukunft. Einer von ihnen soll Lehrer werden, ein anderer Anwalt, Arzt usw. Berufe, deren erlangen in ihrem Heimatland viel Disziplin, Geld und auch Glück erfordert.
"Mutter war eine Falknerin.
Die, die auf dem Hügel stand und aufpasste und versuchte, alles Schlechte von ihren Kindern abzuwehren. Sie hatte Kopien unserer Gedanken in ihrem Kopf und roch daher Ärger schon von weitem, so wie Seeleute die ersten Anzeichen eines herannahenden Sturms erkennen."
Bisher sieht es ganz gut aus für die Jungs - Nkeme wird gut verheiratet und muss keinen Beruf erlernen. Die strenge Aufsicht des Vaters sorgt für Ordnung und einen guten Geist im Haushalt. Doch die von ihm angestrebten Ziele kosten viel Geld und so muss er seinen Arbeitsplatz in die Stadt verlegen. Weg von seinem Zuhause und seinen Kindern. Und als ob dadurch nicht nur die gestrenge Ordnung des Vaters, sondern die des ganzen Weltensystems durcheinander geraten ist, nimmt das Schicksal der Familie eine böse Wendung, die auch die Mutter, die versucht hat ihre Kinder mit ihrem ganzen löwenstarken Herz zu verteidigen, nicht wieder ins Gefüge bringen kann.
"Das war auch der Grund, warum er als Teenager bereits einige schlimme Erfahrungen und persönliche Tragödien hinter sich hatte, denn er war nur ein kleiner Spatz in einer Welt dunkler Stürme."
Eine Kindheit in Afrika unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von einer Kindheit in Europa explizit in Deutschland. Zur Schule zu gehen ist keine Selbstverständlichkeit, eine gute Ausbildung zu machen erst recht nicht und beim spielen ist Fantasie gefragt. Ich glaube nicht, dass letzteres unglücklicher macht. Wie in Benjamins Familie zu erkennen ist, ist der Zusammenhalt in Armut und Not ein größerer. Und doch gelingt es einem bösen Geist Unruhe zwischen den Brüdern zu stiften. Einen kleinen Keim aus Angst, Ungewissheit und Ärger zu pflanzen, der zu einem großen Baum des Bösen heranwächst. Der mit seinen dunklen Wurzeln jeden umschlingt, den er zu fassen kriegt. Hass und Wahnsinn verwachsen, bis der einzelne entweder für seine eigenen Bedürfnisse und die der Familie erblindet oder vor Verzweiflung zerfällt.
"Hass ist ein Blutegel.
Das Ding, das sich an der Haut festsaugt, sich von den Menschen ernährt und ihnen die Lebenskraft raubt. Er verändert einen und verschwindet erst, wenn er einem den letzten Tropfen Frieden ausgesaugt hat."
Chigozie Obioma, dessen Debüt schon in Kürze in vielerlei Ländern großen Anklang fand, hat in seinem Roman eine Familie erschaffen, die ein Porträt des Glaubens an Schicksal in seinem Heimatland darstellt. Die so sehr damit verwachsen ist, sich so sehr darin verfängt, dass eine Prophezeiung mühelos einen selbsterfüllenden Weg beschreitet.
"Sein Schicksal war für ihn bestimmt. Sein Chi, der persönliche Gott, den bei Ibo jeder hat, war schwach."
Sprachlich hat Obiome sein Land, seine Landsleute großartig dargestellt. Ich habe, trotz der Minimalistik mit der Bens Familie auskommen muss, einen üppigen Einblick bekommen, in Kultur, Religion, Politik, Möglichkeiten und Grenzen. Obiome konnte mich mit dem Weg, den seine Handlung einschlägt wirklich überraschen, zumal ich anderes erwartet hatte. Mehr von dem, was man sonst in Romanen über Afrika liest. Geschichten, die vom Land an sich erzählen. Obiome hingegen blickt tiefer hinein, kratzt an der Oberfläche, präsentiert uns eine Familie, die so real ist, dass es sie bestimmt irgendwo in Nigeria gibt. Eine dramatische Familiengeschichte, die auf den Leser einschlägt. Für mich sehr schockierend und befremdlich und doch so faszinierend, dass ich hoffe, dass der noch recht junge Autor seinen schriftstellerischen Weg weiter verfolgen kann.
Buchinfo:
Aufbau (Februar 2015)
313 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
19,95 €
Originaltitel: The Fishermen
Übersetzung: Nicolai von Schweder-Schreiner
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Das klingt nach einem sehr faszinierenden Roman - der ist gleich mal auf meiner Wunschliste gelandet. Und Nigeria ist auch mal ein ganz anderer Schauplatz.
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