Edward Feathers, Old
Filth genannt, ehemals Kronanwalt in Hongkong, vorbildlich, tadellos
und ein Gentleman höchster Güte. Physisch, wie psychisch in den
Rahmen dessen passend, was man zu Zeiten einer intakten Monarchie von
einem Mann erwartet.
Seine Laufbahn
klingt vorbildlich. In der Schule stets bemüht, schafft er die
Aufnahmeprüfungen am College, verteidigt sein Vaterland, so gut er
kann, heiratet, ist erfolgreich und kehrt nach einer großartigen
Laufbahn als Richter wieder nach England zurück. An Edward Feathers
liegt kein Haar krumm. So scheint es zumindest nach außen.
Als er nach dem Tod
seiner Frau Betty eine Reise antritt, begegnet er den Schatten der
Vergangenheit. Den Geistern, die er weitestgehend verdrängt hat und
die nun bereit sind ihren Frieden mit ihm zu schließen.
„Er
war sagenhaft sauber. Geradezu ostentativ sauber. Der Rand seiner
Fingernägel war reinweiß. Die wenigen Haare unter den
Fingerknöcheln waren immer noch golden und wirkten stets wie frisch
shamponiert, ebenso wie sein lockiges, immer noch rötlich braunes
Haupthaar.“
Der Journalist
Daniel Schreiber spricht im Vorwort eine Art Warnung aus. Er betitelt
„Der untadelige Mann“ als ein Buch, das man nicht mehr weglegen
kann und das den Leser alles um ihn herum vergessen lässt. Ja so ist
es. Herr Schreiber hat Recht. Edward Feathers Geschicht fesselte mich
vom ersten Moment an und liebend gern hätte ich alles andere bei
Seite gelegt, um meine Zeit ausschließlich mit den scharfsinnigen
Worten Jane Gardams zu verbringen, hinter denen immer noch ein
kleines bisschen mehr steckt, als der erste Blick vermuten lässt.
Nichts hat Edward
bemerkt von all den Schwächen seiner Mitmenschen, von deren Verfall,
der sich dort ebenso ausbreitete wie in dem Land, das er einst unter
Queen Mary so vehement als seine Heimat anerkennen wollte, obwohl ein
Stück seines Herzens immer in Malaysia, dem Land, in dem er geboren
wurde, geblieben ist.
„Jede
Minute aufs angenehmste ausgefüllt. Arbeit, Vergnügen, keine
Belastungen.
Und
der Sonnenuntergang ebenso zuverlässig wie Filth Heimkehr.“
Ich habe jeden
einzelnen Satz, der von der Autorin Jane Gardam, die jetzt im hohen
Alter von 83 Jahren zum ersten Mal von Isabel Bogdan so fein
übersetzt wurde, genossen. Habe ihre Worte in mich aufgesogen und
Old Filth mit jedem einzelnen mehr ins Herz geschlossen. Ein
Gutmensch, der trotz seines Berufs – welch Ironie – so blauäugig
durchs Leben geht, dass er nicht bemerkt, dass er seiner Frau nicht
das geben kann, was sie sich wünscht, dass er nicht sieht, wie
verrückt seine Cousine Babs ist und wie sehr das Alter an ihm nagt.
Er ist keinesfalls naiv, aber was zwischenmenschliche Dinge angeht
hat er eben wenig Erfahrung. Und die wenige, die er gemacht hat, war
alles andere als positiv. Das Schicksal hat ihn nicht mit
Samthandschuhen angefasst.
Und trotzdem schaut
er immer nach vorn.
„Filth
hatte es nicht so mit Blumen. Er fand sie nichtssagend, manchmal
sogar feindselig. Die Tulpen waren es, dachte er, die sie am Ende
erwischt haben.“
Mit Haut und Haaren
bin ich Jane Gardams Schreibe, ihrem britischen Charme und ihrer
Fähigkeit den Leser zu bannen, erlegen. Ebenso ihrem wundervollen
Protagonisten Edward Feathers, der mich immer wieder zum schmunzeln
gebracht hat und den so viele Erfahrungen zu dem gemacht haben, was
er ist.
„Ein untadeliger
Mann“ überzeugt auf vielen Ebenen. Vor allem aber durch seine
Besonderheit im Ausbau der Charaktere und dieser wundervoll klugen
wie ironischen Erzählweise. Ich freue mich sehr darüber, dass der
Roman Auftakt einer Trilogie ist und der Hanser Verlag auch den
Folgeband übersetzt und unter dem Titel „Eine untreue Frau“ im
Mai 2016 veröffentlicht.
Buchinfo:
Hanser Berlin (August 2015)
352 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
22,90 €
Originaltitel: Old Filth
Übersetzung: Isabel Bogdan
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