Dorrigo Evans'
großes Laster sind die Frauen. Er kann nicht mit ihnen, er kann
nicht ohne sie. Er hat nicht das Gefühl, sich an nur eine binden zu
können. Bis eben jene eine kommt, auf die er wie ein Magnet
reagiert. Angezogen wie auch abgestoßen von ihrer Schönheit, ihrer
Art zu sein, mit ihm zu spielen, zu schlafen, zu lieben.
„Die
Gefühle eines Mannes stimmten nicht immer mit dem Leben überein.
Manchmal stimmen sie mit gar nichts überein.“
Überwältigt von
Gefühlen, die ihm bisher unbekannt waren, weiß er nicht recht damit
umzugehen. Statt für sie in den Kampf zu ziehen, rettet er sich in
den Kampf um sein Land. Der zweite Weltkrieg ist für ihn die
Möglichkeit zur Flucht, nicht wissend, wie sehr er dies einmal
bereuen wird. Denn was er dort erlebt – insbesondere als er in
japanische Gefangenschaft gerät – hat er in seinen kühnsten
Träumen nicht ausgemalt.
„Der
Krieg drängte, der Krieg verstörte, der Krieg löste auf und
entschuldigte.“
Dorrigo Evans ist
ein Mensch, der sich viel mit sich selbst beschäftigt hat. Der sein
Leben lang versucht hat nach Außen ein gewisses Bild zu verkörpern.
Schon vor dem Krieg, als er noch Angst vor der Liebe hatte, und auch
nach dem Krieg, als ihm die dort erlebten Gräueltaten zu der
Erkenntnis kommen lassen, dass nur die wahre Liebe die einzige
Rettung von Geist und Körper sein kann.
„Der schmale Pfad
durchs Hinterland“ ist ein Wechselbad der Gefühle. Für
Protagonisten, wie für Leser. Der Einstieg ist mir etwas schwer
gefallen, denn Flangan erzählt auf verschiedenen Ebenen, wechselt
währenddessen häufig die Zeit, zeigt einen Dorrigo Evans, den ich
erst sehr viel später, als ich erfahren habe, was er alles durchlebt
hat, verstehen kann.
„Es
war, als lebe der Mensch allein, um Gewalt auszuüben und damit die
Ewigkeit der Herrschaft zu sichern. Die Welt würde sich nicht
verändern, die Gewalt war immer schon da gewesen und würde sich
niemals auslöschen lassen, Männer würden sterben durch die Fäuste
und Gräueltaten anderer Männer, bis ans Ende der Zeit und die
gesamte Geschichte der Menschheit war eine Geschichte der Gewalt.“
Das Leben spielt
ungerecht, ist geprägt von Ironie und einer Härte, die nur schwer
nachzuvollziehen ist. Im Krieg stehen diese Regeln erst recht Kopf.
Das unterste wird zuoberst gekehrt. Wer weiß denn noch, wer er
wirklich ist? Dies ist einer von Flanagans roten Fäden, die er an
manchen Stellen so fest zuzieht, dass es mir die Kehle zuschnürt. Er
hat kein Mitleid mit seinen Charakteren. Lässt sie Dinge erleben,
die mir als Beobachter den Druck auf den Magen verstärken. Die Frage
- wer Opfer ist, wer Täter - verschwimmt. Denn letztendlich sind im
Krieg alle Opfer. Auch wenn es sich um fiktive Figuren handelt, sind
ihre Kriegserlebnisse in Gefangenschaft leider nur zu real.
Verdrängung ist vermutlich die einzige Chance danach weiter leben zu
können.
Oder eben die Liebe.
„Und
er dachte: Wie leer die Welt ist, wenn man seine Liebe verliert.“
Sehr eindringlich
kreisen Flanagans Worte um Krieg und Liebe. Sorgen dafür, dass ich
den Roman verschlinge, an einigen Stellen aber so bedrückt bin, dass
ich ihn gern zur Seite legen würde, weil ich selbst kaum aushalten
kann, was die Männer in japanischer Kriegsgefangenschaft durchmachen
müssen. Nicht jeder von ihnen zerbricht daran. Liebe, Hoffnung,
Glaube an Wunder, Erinnerungen an schöne Dinge halten sie aufrecht.
Freiheit entsteht im Geiste. Und genau dort nehme ich „Der schmale
Pfad durchs Hinterland“ in seiner vollen Intensität auf. Froh
darüber diesen beeindruckenden Roman, von dem mir mehr Gutes, als
seine drückende Stimmung im Gedächtnis bleiben wird, für mich
entdeckt zu haben.
Buchinfo:
PIPER (September 2015)
448
Seiten
Gebunden
mit Schutzumschlag
24,00
€
Übersetzung:
Eva Bonné
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