Bevor ich im
Frühlingsprogramm des Verlags Hoffmann und Campe auf den Titel „Als
Hemingway mich liebte“ aufmerksam wurde, war Ernest Hemingway kein
Thema für mich. Ich weiß wohl, dass mein Großvater die
Verfilmungen seiner Werke wie „Für wen die Stunde schlägt“ im
Kino angeschaut und auch „Der alte Mann und das Meer“ gelesen
hat, aber was interessieren mich alte Männer. Ein Gedanke, den ich
wohl nicht zu Ende gedacht habe, denn wie sich nun herausstellt ist
Hemingway eine sehr faszinierende Schriftsteller Persönlichkeit
gewesen.
Naomi Wood widmet
sich in ihrem Roman „Als Hemingway mich liebte“ den Frauen an
seiner Seite. Zahlreich hat er sich verliebt, geheiratet – nur
selten auch wieder entliebt, glaubt man der fiktiven Geschichte der
jungen britischen Autorin. Sicher hat sie viel Sekundärliteratur
gelesen, bevor sie ihren Roman geschrieben hat, denn er wirkt auf
mich sehr gut recherchiert und wirklich glaubwürdig. Dennoch frage
ich mich ständig wie es ihr gelingen konnte Hemingway so
authentisch, so lebendig, so zum greifen nahe darzustellen. Offenbart
er sich in seinen Büchern so sehr, dass es ein leichtes ist, ihn in
eine Romanfigur zu stecken? Naomi Wood hat es nicht nur geschafft
mich mit ihrem eigenen Roman zu begeistern, sondern auch meine
Neugierde auf Hemingways Werke zu wecken.
„
'Das passt gut. Ich werde lieber von Spitzbuben gelesen, als von
Kritikern.' “
„Als Hemingway
mich liebte“ beginnt im Jahr 1926. Hemingway verbringt seinen
Urlaub in Antibes. Gemeinsam mit Frau und Geliebter. Erstere stellt
ihn vor die Entscheidung „sie oder ich“. Ein roter Faden, der
sich durch Hemingways Leben bis hin zu Mary, Frau Nr. 4, zieht. Er
ist von einer Ruhelosigkeit geprägt, die ihn von einer Liebe zur
nächsten treibt. Immer wieder den Wunsch nach Veränderung, nach
großen Gefühlen im Gepäck. Den Wunsch wieder intensiv fühlen zu
können, denn er selbst rudert mehr und mehr ins Abseits seines
eigenen Selbst, verliert sich in Wehmut, Lethargie und Depressionen.
Ist seine eigene Biografie dafür verantwortlich? Seine Arbeit als
Kriegsberichterstatter, wo er schreckliche Dinge durchlebt oder die
Energie, die das Schreiben, die Kreativität manchmal einfordern?
Im Grunde ist
Hemingway die Randfigur des Romans. Er und sein Verhalten leben mehr
zwischen den Zeilen, als seine Ehefrauen es tun. Sie sind es, die im
Mittelpunkt stehen. Frauen, die ihm den Rücken stärken, Frauen, die
sein Blut zum Kochen bringen, Frauen, die sich sein Leben lang um ihn
kümmern, auch dann noch, wenn er wie sie bereits neu verheiratet
sind. Jede einzelne von ihnen von ausgesprochen interessantem
Charakter. Sie kennenzulernen war mir eine große Freude. Gerne habe
ich meine Lesezeit mit ihnen verbracht.
„Was nun wiederum sie ängstigte: dieses Grauen, das in ihm lauerte, hart wie Quarz. Was ist es, was ihm so furchtbar zusetzt? […] Er fürchtet sich vor der brutalen Gewalt seiner Traurigkeit, aber das ist noch mehr, etwas was sie nicht benennen kann und er auch nicht.“
Am liebsten mochte
ich Hadley. Dass sie seine erste Liebe war, hat ihr vielleicht eine
Sonderstellung eingebracht. Klug, großmütig, herzlich, hat sie die
Dramatik, die ihn begleitete, neutralisiert. Doch auch sie konnte den
Schriftsteller, der ein bisschen mit dem Altern zu kämpfen hatte,
der zur „verlorenen Generation“ gehörte, dessen Genie nahe am
Wahnsinn lag, der zu viel trank und seine Frauen schlug, ihnen aber
trotzdem Respekt entgegen brachte, ja auch sie konnte ihn nicht vor
der Dunkelheit in seiner Seele bewahren.
Naomi Wood ist es
gelungen die Atmosphäre einer Ära einzufangen. Gebannt verschlang
ich Seite um Seite, fühlte mich in der Zeit versetzt, lebte, liebte
und litt mit all den zahlreichen Hemingways und freue mich darauf
schon bald Bekanntschaft mit Ernests eigener schriftstellerischer
Leistung zu machen.
Buchinfo:
Hoffmannund Campe (März 2016)
368
Seiten
Gebunden
mit Schutzumschlag
20,00
€
Übersetzung:
Gerlinde Schermer-Rauwolf, Robert A. Weiß
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