28.04.16

Willkommen in Night Vale - Joseph Fink / Jeffrey Cranor



Willkommen in Night Vale. Der Stadt in der das Unmögliche möglich und nichts unmöglich ist. Oder auch genau umgekehrt. Wie auch immer.

Wer sich nun über die verwirrte Wortwahl wundert, der sollte wissen, ich bin infiziert. Möglicherweise unheilbar, obwohl ich denke, dass eine Chance auf Besserung möglich ist. Angesteckt habe ich mich bei Joseph Fink und Jeffrey Cranor, die den Virus in ihrem Roman „Willkommen in Night Vale“ ausgesetzt haben. Symptome: Verwirrung, Halluzinationen, Glaubenskrisen, Gefühlschaos.

Noch nie ist es mir so schwer gefallen die passenden Worte zu einem Roman zu finden bzw. Inhalt, eigene Reaktionen und handwerkliches Können der Autoren in eine Rezension zu packen. Grund dafür ist die Besonderheit von „Willkommen in Night Vale“. Einem Buch wie diesem bin ich zuvor noch nicht begegnet.

Jede Information war eine wichtige Information, selbst wenn die Gründe dafür nicht sofort ersichtlich waren. Der Grund für irgendetwas war selten sofort oder auch nur irgendwann ersichtlich, aber es gab ihn, irgendwo, so wie einen Mond war, sondern ein Stück Irgendwas, das im Nichts trudelte.“

Ganz kurz zum Inhalt (so weit möglich): Pfandhausbetreiberin Jackie bekommt einen Zettel zugesteckt auf dem das Wort „King City“ steht. Kurz nachdem der Kunde den Laden verlässt, ist er auch schon wieder aus Jackies Gedächtnis verschwunden. Nur „King City“ bleibt in ihrem Kopf, ohne, dass sie weiß, was es bedeutet und in welchem Zusammenhang es dort gelandet ist.

Auch Kellnerin Diane und der Gestaltwandler-Teenager Josh fühlen sich von King City angezogen. Und so kommt es, dass sich die Wege der drei genannten Protagonisten immer und immer wieder kreuzen auf der Suche nach dem geheimnisvollen King City.

„Willkommen in Night Vale“ zu lesen ist wie eine Seefahrt bei starkem Sturm. Ein Wellengang mit etlichen Auf's und Ab's. Kein Roman hat bei mir bisher mit nur wenigen Sätzen so viele unterschiedliche Meinungen und Gefühle dazu ausgelöst.

Es war schwer in die Welt von Night Vale hineinzukommen. Am Anfang bin ich fast verzweifelt, habe das Buch deshalb in Etappen gelesen und immer wieder zur Seite gelegt. Jedes Mal, wenn ich schon kurz davor stand aufzugeben, erfasste mich plötzlich der Sog, der die Gegenseite des schwierigen Zurechtfindens bildet. Fink und Cranor gelingt es immer wieder den Leser zu packen und mit kleinen Appetithäppchen neugierig zu machen. Nutzen die Faszination des Unerklärlichen, des Unbegreiflichen, dem Wunsch danach einer Auflösung der Geheimnisse näher zu kommen.

An „Willkommen in Night Vale“ mochte ich besonders dieses Spiel mit Wahrnehmung, Illusion, Realität und Täuschung. Fink und Cranor zeigen, was Literatur, was fantastische Literatur kann. Alles ist erlaubt. Ein Autor kann machen, was er will, kann seiner Fantasie freien Lauf lassen. In der Fantasy dürfen Engel mit vier Beinen, die Erika heißen oder Kellnerinnen, denen Zweige mit Früchten aus dem Körper wachsen, kreiert werden. In der fantastischen Literatur gibt es (fast) keine Grenzen und das nutzen Fink und Cranor aus.

Damals war alles einfacher. Weil ich nicht so viele Erinnerungen hatte und die Welt deshalb nicht so überlagert war. Alles war klarer, und außerdem war ich jünger. Also, die Welt war einfacher.“

Dass sie sich schon lange in der Welt von „Willkommen in Night Vale“ bewegen, ist deutlich zu spüren. Die Beschreibungen ihrer eigens kreierten Welt und deren abgefahrenen, skurrilen Bewohner sind detailliert und genau. Seit einigen Jahren schon arbeiten die Autoren zusammen und veröffentlichen Podcasts mit Geschichten aus der Welt von Night Vale.

Die Schreibe der beiden Autoren ist mir zum Teil etwas abgedreht, verdeutlicht aber dieses von mir angesprochene Spiel mit Illusionen und der Realität, in das nicht nur die Protagonisten verstrickt werden, sondern auch die Leser. Im Roman gibt es etliche versteckte Anspielungen zu verschiedensten Themen, die ich definitiv nicht alle ausfindig gemacht habe.

Anspielungen, mit denen die Autoren vielleicht auch ein bisschen provozieren wollen. „Willkommen in Night Vale“ ist ein Buch, das polarisiert. Das viele Fans finden wird, aber auch einige Leser, denen es einfach zu drüber ist. Mir hat es trotz Höhen und Tiefen als Gesamtpaket gefallen, denn ich finde es gut, dass die Autoren aus den Vollen ihrer Fantasie geschöpft und einen Roman geschrieben haben, wie er mir zuvor noch nicht begegnet ist.

Buchinfo:

378 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
19,95 €
Übersetzung: Wieland Freund / Andrea Wandel

Hier versandkostenfrei bestellen:



Social Media:

Klett-Cotta Hobbit Presse auf Facebook
Klett-Cotta Hobbit Presse auf Twitter


Weiter Rezensionen:


Lesungstermine:

24.05.2016 Stuttgart
25.05.2016 Köln
26.05.2016 Berlin

3 Kommentare:

  1. Ich hab von einer Booktuberin auch mal ne Rezi dazu gehört, glaube ich... Es klingt sehr fantastisch, aber auch sehr verwirrend. Trotzdem klingt es sehr, sehr spannend :-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Mich hat das Buch auch unheimlich gereizt. Zumal ich auch kaum was zum Inhalt wusste, weil er einfach auch echt schwierig zusammenzufassen ist. Ich denke, es ist schon wichtig zu wissen, dass der Roman sehr speziell ist, damit man sich darauf einstellen kann und nicht enttäuscht wird.

      Löschen
  2. Mir ist dieses Buch ja erstmals durch eine begeisterte Rezension von Patrick Rothfuss untergekommen, aber ich war mir nicht sicher, ob das etwas für mich ist. Was das betrifft, bin ich noch immer etwas skeptisch, da es mit speziellen Büchern manchmal doch etwas schwierig sein kann.

    AntwortenLöschen

Hallo,
schön, dass du hier her gefunden hast. Ich freue mich über deinen Kommentar.
Mit dem Absenden deines Kommentars gibst du dich einverstanden, die bestehenden Datenschutzbestimmungen (s. entsprechende Seite auf meinem Blog) zu akzeptieren.
Liebe Grüße,
Nanni