Willkommen in Night Vale. Der Stadt in der das Unmögliche möglich und nichts unmöglich ist. Oder auch genau umgekehrt. Wie auch immer.
Wer
sich nun über die verwirrte Wortwahl wundert, der sollte wissen, ich
bin infiziert. Möglicherweise unheilbar, obwohl ich denke, dass eine
Chance auf Besserung möglich ist. Angesteckt habe ich mich bei
Joseph Fink und Jeffrey Cranor, die den Virus in ihrem Roman
„Willkommen in Night Vale“ ausgesetzt haben. Symptome:
Verwirrung, Halluzinationen, Glaubenskrisen, Gefühlschaos.
Noch
nie ist es mir so schwer gefallen die passenden Worte zu einem Roman
zu finden bzw. Inhalt, eigene Reaktionen und handwerkliches Können
der Autoren in eine Rezension zu packen. Grund dafür ist die
Besonderheit von „Willkommen in Night Vale“. Einem Buch wie
diesem bin ich zuvor noch nicht begegnet.
„Jede
Information war eine wichtige Information, selbst wenn die Gründe
dafür nicht sofort ersichtlich waren. Der Grund für irgendetwas war
selten sofort oder auch nur irgendwann ersichtlich, aber es gab ihn,
irgendwo, so wie einen Mond war, sondern ein Stück Irgendwas, das im
Nichts trudelte.“
Ganz
kurz zum Inhalt (so weit möglich): Pfandhausbetreiberin Jackie
bekommt einen Zettel zugesteckt auf dem das Wort „King City“
steht. Kurz nachdem der Kunde den Laden verlässt, ist er auch schon
wieder aus Jackies Gedächtnis verschwunden. Nur „King City“
bleibt in ihrem Kopf, ohne, dass sie weiß, was es bedeutet und in
welchem Zusammenhang es dort gelandet ist.
Auch
Kellnerin Diane und der Gestaltwandler-Teenager Josh fühlen sich von
King City angezogen. Und so kommt es, dass sich die Wege der drei
genannten Protagonisten immer und immer wieder kreuzen auf der Suche
nach dem geheimnisvollen King City.
„Willkommen
in Night Vale“ zu lesen ist wie eine Seefahrt bei starkem Sturm.
Ein Wellengang mit etlichen Auf's und Ab's. Kein Roman hat bei mir
bisher mit nur wenigen Sätzen so viele unterschiedliche Meinungen
und Gefühle dazu ausgelöst.
Es war
schwer in die Welt von Night Vale hineinzukommen. Am Anfang bin ich
fast verzweifelt, habe das Buch deshalb in Etappen gelesen und immer
wieder zur Seite gelegt. Jedes Mal, wenn ich schon kurz davor stand
aufzugeben, erfasste mich plötzlich der Sog, der die Gegenseite des
schwierigen Zurechtfindens bildet. Fink und Cranor gelingt es immer
wieder den Leser zu packen und mit kleinen Appetithäppchen neugierig
zu machen. Nutzen die Faszination des Unerklärlichen, des
Unbegreiflichen, dem Wunsch danach einer Auflösung der Geheimnisse
näher zu kommen.
An
„Willkommen in Night Vale“ mochte ich besonders dieses Spiel mit
Wahrnehmung, Illusion, Realität und Täuschung. Fink und Cranor
zeigen, was Literatur, was fantastische Literatur kann. Alles ist
erlaubt. Ein Autor kann machen, was er will, kann seiner Fantasie
freien Lauf lassen. In der Fantasy dürfen Engel mit vier Beinen, die
Erika heißen oder Kellnerinnen, denen Zweige mit Früchten aus dem
Körper wachsen, kreiert werden. In der fantastischen Literatur gibt
es (fast) keine Grenzen und das nutzen Fink und Cranor aus.
„Damals
war alles einfacher. Weil ich nicht so viele Erinnerungen hatte und
die Welt deshalb nicht so überlagert war. Alles war klarer, und
außerdem war ich jünger. Also, die Welt war einfacher.“
Dass
sie sich schon lange in der Welt von „Willkommen in Night Vale“
bewegen, ist deutlich zu spüren. Die Beschreibungen ihrer eigens
kreierten Welt und deren abgefahrenen, skurrilen Bewohner sind
detailliert und genau. Seit einigen Jahren schon arbeiten die Autoren
zusammen und veröffentlichen Podcasts mit Geschichten aus der Welt
von Night
Vale.
Die
Schreibe der beiden Autoren ist mir zum Teil etwas abgedreht,
verdeutlicht aber dieses von mir angesprochene Spiel mit Illusionen
und der Realität, in das nicht nur die Protagonisten verstrickt
werden, sondern auch die Leser. Im Roman gibt es etliche versteckte
Anspielungen zu verschiedensten Themen, die ich definitiv nicht alle
ausfindig gemacht habe.
Anspielungen,
mit denen die Autoren vielleicht auch ein bisschen provozieren
wollen. „Willkommen in Night Vale“ ist ein Buch, das polarisiert.
Das viele Fans finden wird, aber auch einige Leser, denen es einfach
zu drüber ist. Mir hat es trotz Höhen und Tiefen als Gesamtpaket
gefallen, denn ich finde es gut, dass die Autoren aus den Vollen
ihrer Fantasie geschöpft und einen Roman geschrieben haben, wie er
mir zuvor noch nicht begegnet ist.
Buchinfo:
Klett-Cotta
Hobbit Presse (2016)
378
Seiten
Hardcover
mit Schutzumschlag
19,95
€
Übersetzung:
Wieland Freund / Andrea Wandel
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Weiter Rezensionen:
Lesungstermine:
24.05.2016
Stuttgart
25.05.2016
Köln
26.05.2016 Berlin
26.05.2016 Berlin
Ich hab von einer Booktuberin auch mal ne Rezi dazu gehört, glaube ich... Es klingt sehr fantastisch, aber auch sehr verwirrend. Trotzdem klingt es sehr, sehr spannend :-)
AntwortenLöschenMich hat das Buch auch unheimlich gereizt. Zumal ich auch kaum was zum Inhalt wusste, weil er einfach auch echt schwierig zusammenzufassen ist. Ich denke, es ist schon wichtig zu wissen, dass der Roman sehr speziell ist, damit man sich darauf einstellen kann und nicht enttäuscht wird.
LöschenMir ist dieses Buch ja erstmals durch eine begeisterte Rezension von Patrick Rothfuss untergekommen, aber ich war mir nicht sicher, ob das etwas für mich ist. Was das betrifft, bin ich noch immer etwas skeptisch, da es mit speziellen Büchern manchmal doch etwas schwierig sein kann.
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