Auf Geheiß einer
Bekannten ist sie nach Marokko geflogen. Dort kann man ganz einfach
entspannen und eine schöne Zeit verbringen, hieß es. Doch dann
klaut man ihr den Rucksack, mit all den für sie wichtigen Sachen.
Kreditkarte, Reisepass, ihre Identität – alles weg.
Sie wendet sich an
die einheimische Polizei, bekommt dort aber wenig Hilfe. Dafür gibt
man ihr Pass und Kreditkarte einer anderen. Ihre Chance ein neues
Leben zu beginnen und die Vergangenheit endgültig zu begraben?
Ich lese die ersten
Seiten von Vendela Vidas „Des Tauchers leere Kleider“ und bin
sofort gefesselt. Von ihrer Art zu schreiben, aber auch von der
Wirkung des Romans. Denn darum geht es in diesem Fall viel mehr, als
um den Inhalt an sich.
Geschildert wird die
Geschichte aus der personalen Erzählperspektive. Das bedeutet, dass
der Erzähler die Erlebnisse aus seiner Sicht berichtet, von sich
selbst aber in der dritten Person spricht. Hier wird das „du“
verwendet. Bei buecher-wiki.de steht zu dieser eher ungewöhnlichen
Erzählform, dass sie „sich die fiktive Wirklichkeit nur im
Bewusstsein einer Figur spiegelt“, eine starke „suggestive
Wirkung auf den Leser“ ausübt und „kein Mensch weiß, ob die
Wahrnehmung der Figur […] getrübt ist“. Ja genau das ist. Dieses
handwerkliche Mittel macht Vendela Vida sich zu Nutze und holt mich
damit immer wieder in eine Geschichte, die mich ins grübeln bringt.
„Anders
als deine Schwester, deren Hirn einem Bienenstock gleicht und die auf
meisterhafte Weise kontinuierlich ihren nächsten Schritt zu planen
wusste, bist du schon immer gut darin gewesen, ewig aus Fenstern zu
starren. Du versuchst dir nicht auszurechnen, wieviel in deinem Leben
du verschwendet hast, indem du genau das tust, was du jetzt tust.“
Schon von Anfang an
habe ich das Gefühl, dass die Erlebnisse der Hauptperson, deren
Namen nur ein einziges Mal genannt wird und da habe ich natürlich
verpasst ihn mir zu notieren, inszeniert sind. Durch die Intensität
des Erzähltons fühle ich mich in den Roman hineingezogen, werde
aber die Ahnung nicht los, dass man mit mir spielt.
Doch wer ist
derjenige, der für diese Inszenierung sorgt, die bei der
Protagonistin einen Identitätsverlust ausübt? Ist es die
marokkanische Polizei? Eine Verschwörung des Hotelpersonals? Oder
steckt sie gar selbst dahinter? Getrieben von dem Wunsch wer anders
zu sein?
In den ersten zwei
Dritteln ist es auch überhaupt nicht klar. Ich fühle mich wie in
der Truman Story. Von der Autorin in eine bestimmte Richtung
gedrängt, die ich nicht ändern kann. Und auch nicht ändern möchte.
Mit Faszination betrachte ich ihre Vorgehensweise. Tiefer und tiefer
dringt sie in die Seele ihrer Hauptdarstellerin ein. Nimmt mich mit
auf diese Reise, die mich zwischen Realität und Inszenierung trudeln
lässt.
Ich empfinde „Des
Tauchers leere Kleider“ als sehr lesenswerten Roman, da er auf besondere Art etwas
mit dem Leser anstellt.
Buchinfo:
Aufbau
(2016)
252
Seiten
Hardcover
mit Schutzumschlag
19,95
€
Übersetzung:
Monika Baark
Hier versandkostenfrei bestellen:
Social Media:
Aufbau
auf Facebook
Aufbau
auf Twitter
Aufbau
auf Instagram
Klingt nach einem interessanten Buch, auch wenn ich nicht weiß, ob die Erzählperspektive so mein Fall wäre. Übrigens redet die Erzählerin hier nicht von sich in der dritten Person (er/sie), sondern in der zweiten (du). ;-) Dementsprechend bedeutet personale Erzählperspektive nicht, dass ein Buch in der "Du"-Perspektive geschrieben ist, sondern dass durch die Augen der Figuren in der 3. Person, also so ziemlich die häufigste Perspektive in modernen Romanen - im Gegensatz zur auktorialen Perspektive, bei der ein Erzähler von außen auf die Figuren blickt.
AntwortenLöschenSorry fürs Klugscheißen, aber das konnte ich grad nicht so stehenlassen. :-)
Überhaupt nicht schlimm. Ich freue mich, wenn ich dazu lernen kann, denn ehrlich gesagt musste ich wirklich erstmal googeln, wie man die Erzählperspektive nennt, die Vendela Vida hier verwendet.
LöschenIch glaube schon, dass du den Roman mögen würdest. Und gerade durch die Erzählperspektive unterstreicht sie ihre Aussage nochmal.