Nell, Leo, Chris,
Anton und Valeska sitzen in der Schule fest. Während eines
Nachschreibetermins bricht solch ein starkes Unwetter aus, dass die
Gefahr das Gebäude zu verlassen viel zu groß ist, um dieses Risiko
einzugehen.
Risiko freudig ist
eigentlich eh nur Leo. Der Draufgänger, der Macho, der in seiner
Lederjacke so lässig wirkt, dass ihm die Mädels zu Füßen liegen.
So auch die nette Nell, die schon lange für ihn schwärmt und nun ihre Chance wittert. Ein bisschen romantisch ist es in der Schule ja schon, so ganz ohne Erwachsene. Aber ob Leo überhaupt auf Romantik steht?
Valeska ganz sicher
nicht. Sonst wäre sie bestimmt nicht so hochnäsig und würde viel
häufiger auf ihre Klassenkameraden zugehen. Ihre Mauer aus Arroganz
ist ziemlich hoch und dick. Warum? Ist es vielleicht weniger ihre Art
sich auszudrücken, als vielmehr ein Schutz?
Schutz könnte Anton
auch vertragen. Am besten vor sich selbst. Mit seinem seltsamen
Kleidungsstil macht er sich doch freiwillig zum Opfer.
Zumindest sticht er
damit ziemlich aus dem bunten Haufen raus, der immer wieder im Fokus
von Chris Kamera landet. Er selbst steht nicht gern im Blitzlicht,
kann es aber nicht von den anderen abwenden. Zu groß sein Wunsch
nach dem perfekten Foto, dem perfekten Moment. Am allerliebsten
gemeinsam mit Nell.
„Ich
muss vieles, was ich gestern noch geglaubt habe, gründlich
überdenken.“
Fünf Jugendliche,
fünf Charaktere so unterschiedlich wie die farbigen Regentropfen auf
dem Cover von Patrycja Spychalskis neustem Jugendbuchuch „Heute
sind wir Freunde“. Unfreiwillig verbringen sie die Nacht
miteinander. Eine Romanidee, die so simpel klingt und doch so
spannend und interessant umgesetzt wurde. Ein Zusammentreffen so
turbulent wie der Sturm, der sie dazu zwingt eine Gemeinschaft zu
werden.
Der Fokus liegt auf
den differenten Persönlichkeiten der jungen Menschen, die sich zwar
schon oft erblickt haben – schließlich sind sie in einer
Jahrgangsstufe ihrer Schule – , die sich aber noch nie so richtig
angesehen haben.
Das ist eine
Fähigkeit, die ich an der Autorin so sehr mag. Sie sieht genau hin,
sie nimmt Menschen und deren Charaktereigenschaften wahr. Und vor
allem Ernst. So ernst, dass sie ihnen einen ganzen Roman gewidmet
hat. Vorbeischauen ist leicht. Doch was steckt wirklich in einem
Menschen? Was versteckt er hinter seiner Fassade, die er vielleicht
aus Schutz, vielleicht, um beliebt zu sein, vielleicht, um
Geheimnisse für sich zu behalten, aufgebaut hat.
Um zu verdeutlichen
wie unterschiedlich Fremd- und Eigenwahrnehmung häufig sind, nutzt
sie verschiedene Erzählperspektiven. Jeder der Protagonisten kommt
zu Wort. Der Leser bekommt ein Bild davon wie die Figuren aufeinander
wirken, aber auch was tief in ihrem Inneren vor sich geht. Mehr als
einmal stelle ich fest, dass ich mir ein falsches Bild gemacht habe.
Patrycja Spychalski
ist eine Autorin, die mir mit ihren Büchern immer sehr nahe kommt.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass unsere Gedankengänge sich
ähneln. In den letzten beiden Romanen war dieses Gefühl etwas
weniger, bei „Heute sind wir Freunde“ ist es wieder sehr stark.
Manchmal sind es Worte, manchmal Sätze, manchmal Momente in denen
ich mich von ihr verstanden fühle, in denen sie sich mit Themen
beschäftigt, über die auch ich nachdenke.
„Ich
frage mich, wie das kommt mit diesen Schubladen, in denen wir alle
stecken. Der da. Wie das schon klingt, als wäre ich ein halber
Verbrecher, ein Arschloch, ein Aufreißer, ein Sprücheklopfer.“
Mit „Heute sind
wir Freunde“ schenkt sie uns Lesern eine Geschichte, die auf
verschiedene Arten wunderbar ist. Wir bekommen die Möglichkeit neue
Menschen (okay, Romanfiguren) kennenzulernen. Wie viel wir aus ihnen
herausholen, wie tief wir unter ihre Oberfläche schauen, das bleibt
jedem selbst überlassen. Sie zeigt uns wie einfach Freundschaft sein
kann, wie leicht man auf seine Mitmenschen zu gehen kann, wenn man
nicht in Schubladen denkt und ihnen die Möglichkeit gibt, sich so zu
zeigen wie sie wirklich sind, wie schwer es aber oft ist, den Vorhang
fallen zu lassen.
„Heute sind wir
Freunde“ ist ein sehr farbenprächtiger Roman. Er ist ernst und
unterhaltsam. Er ist bedrückend, in der vom Sturm ausgelösten
Atmosphäre, die immer ein wenig Angst in sich trägt, und
gleichzeitig löst er ein wohliges Gefühl von Hoffnung aus. Er ist
lässig, er ist cool, er ist tiefgründig. Er ist trotz, dass die
Handlung nur über einen Zeitraum von weniger als 24 Stunden geht,
eine kleine Abenteuerreise, auf der es viel zu entdecken gibt. Und
damit sagt er mir, dass ich diese Möglichkeit auch in meinem eigenen
Leben, meinem eigenen Umfeld habe, wenn ich nur die Augen öffne.
Buchinfo:
cbt
(März 2016)
320
Seiten
Paperback,
Klappenbroschur
14,99
€
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Weitere Rezensionen zu „Heute sind wir Freunde“:
Patrycja Spychalski auf Fantasie und Träumerei:
Rezi "Der eine Kuss von dir"
Rezi "Fern wie Sommerwind"
Rezi "Bevor die Nacht geht"
Ich sollte wohl wirklich mal ein Buch dieser Autorin lesen. Nun hast du mich neugierig gemacht :) Du besitzt ja einige Bücher von ihr. Das muss definitiv für sie sprechen (:
AntwortenLöschenUnbedingt. Ich würde dir raten mit "Ich würde dich so gerne küssen" oder "Fern wie Sommerwind" zu beginnen :)
LöschenDas hört sich richtig, richtig toll an! Ich glaube, ich muss das Buch auch ganz unbedingt lesen. Aber erstmal habe ich ja noch Stoff von Patty im Regal. <3
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