17.05.18

[Rezension] Die Geschichte der getrennten Wege | Elena Ferrante





Es sind die turbulenten siebziger Jahre und die beiden inzwischen erwachsene Frauen. Lila ist Mutter geworden und hat sich befreit und alles hingeworfen – den Wohlstand, ihre Ehe, ihren neuen Namen – und arbeitet unter entwürdigenden Bedingungen in einer Fabrik. Elena hat ihr altes neapolitanisches Viertel hinter sich gelassen, das Studium beendet und ihren ersten Roman veröffentlicht. Als sie in eine angesehene norditalienische Familie einheiratet und ihrerseits ein Kind bekommt, hält sie ihren gesellschaftlichen Aufstieg für vollendet. Doch schon bald muss sie feststellen, dass sie ständig an Grenzen gerät. 

Ganze Welten trennen die Freundinnen, doch gerade in diesen schwierigen Jahren sind sie füreinander da, die Nähe, die sie verbindet, scheint unverbrüchlich. Würde da nur nicht die langjährige Konkurrenz um einen bestimmten Mann immer deutlicher zutage treten.(Text & Cover: © Suhrkamp; Foto: © N. Eppner)


Wochenlang schiebe ich schon die Besprechung von "Die Geschichte der getrennten Wege" vor mir her. Überlege hin und her, was ich schreiben soll. Gerne etwas, was ich in den Rezensionen der beiden ersten Bände noch nicht geschrieben habe, was aber die Genialität, den fesselnden Sog der Reihe wieder gibt. Alles nicht so einfach. Könnte es eigentlich sein, denn im Endeffekt möchte ich euch nur aus vollem Herzen und ganzer Leidenschaft sagen:"Lest diese Bücher!!"

Die Reihe lebt von den beiden Protagonistinnen, die immer wieder die Balance ihrer Freundschaft aus der Bahn werfen, um dann festzustellen, dass sie genau ohne diese nicht leben können. Balance bedeutet bei diesen beiden jedoch nicht, dass sie gleichberechtigt sind. Es gibt immer eine, die Oberwasser hat. Die an der anderen zieht, während diese sich mitreißen lässt. Eine Ungleichgewicht, das nötig ist, um den Frauen ein inneres Gleichgewicht zu verschaffen. 

Macht ist dabei ein großes Thema. Macht über die jeweils andere, aber auch über andere Menschen. Ein Wettkampf um Intelligenz, Ansehen, Zuneigung. 

Ein Objekt des Wettkampfs ist Nino, der nicht hübsche, aber kluge Nino, der so anders ist, als die anderen Jungs, die sie kennen. Der wenig vom Rione in sich trägt. Der insgeheim als eine Fluchtmöglichkeit vor der eigenen Herkunft angesehen wird. Für mich eine extrem schwierig einzuschätzende Persönlichkeit voller Widersprüche und der Neigung dazu andere Menschen auszunutzen. Auf andere Art als Lila. Aber genau deswegen ist er ähnlich faszinierend wie die beiden Freundinnen und in "Die Geschichte der getrennten Wege" handelt er so, dass ich auch für den Abschluss der Tetralogie keine Ahnung habe, wie er sich letztendlich verhalten wird.

Damit ist er ja nicht allein, denn auch die beiden Freundinnen bleiben weiterhin undurchschaubar. Neben privaten Schikanen fließen in "Die Geschichte der getrennten Wege" historische bzw. politische Ereignisse, der Wandel der Zeit, Wünsche wie Gleichberechtigung, Anerkennung, weniger Diskriminierung, ein. Handlungen, die erschrecken und schockieren und die dafür sorgen, dass ich mich und mein mögliches handeln hinterfrage. 

Der Abschlussteil der Reihe "Die Geschichte des verlorenen Kindes" steht schon im Regal und wartet aufs Lesen. Ich scheue mich noch ein bisschen davor zuzugreifen, denn dann ist alles vorbei. Dort werde ich Lila und Lenu zum letzten Mal begegnen und das stimmt mich traurig. Andererseits bin ich gespannt, wie es weitergeht. Wie sich alles fügt. Wie alles enden wird. Wenn es denn ein Ende geben wird.


Buchinfo:

Suhrkamp (August 2017)
540 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
24,00 €

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Rezensionen: © 2018, Nanni Eppner


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