12.05.19

Mama | Eine Liebeserklärung (mit Gewinnspiel)

Im vierten Monat meiner Schwangerschaft bekamen wir eine schockierende Nachricht. Diagnose Krebs. Meine Mama sollte Krebs haben. Lungenkrebs. Unvorstellbar. Sie hat doch nie geraucht. Und doch war es Tatsache.

Von nun an musste ich mich auf zwei Dinge einstellen, die unterschiedlich und doch sehr gleich sind: Mama werden und evtl. meine eigene Mama verlieren.




Ein Auf und Ab der Gefühle. Immer wieder teilten wir die Freude darüber, dass ein neuer Mensch in unser Leben tritt. Immer wieder die Angst, dass wir einander verlieren. 

Wie gemein Krebs sein kann, wusste ich schon. Von meinem Opa. Nie wieder wollte ich dabei zusehen, wie ein Mensch vor meinen Augen verschwindet. Aufgefressen wird. Die Worte sagt:"Das schlimmste ist, dass ich nicht sehe, wie die Kinder aufwachsen."

Immer wieder machten uns die Ärzte Hoffnung, immer wieder lehrte uns die Realität das Gegenteil. 

An einem Tag fuhr ich zum Kontrolltermin zur Gynäkologin, um mir Freudestrahlend anzuschauen wie sehr mein Kind strampelt. Wie lebensfroh. Wie sehr schon Räubertochter, obwohl noch nicht mal auf der Welt. Am anderen Tag fuhr ich zum CT, zur Chemo, zu Kontrolluntersuchungen in die Onkologie, um zu sehen wie sich etwas in meiner Mama ausbreitet, das versucht sie ganz und gar an sich zu reißen.





An einem Sonntag fuhren wir ins Krankenhaus einer nahe gelegenen Kleinstadt. Ich am Morgen mit meinem Mann, meine Mama mehrere Stunden später, begleitet von meinem Bruder. 

Kurz vor Mitternacht kam die Räubertochter zur Welt. Energisch und laut atmete sie sich direkt in unser Herz. Unfassbar welche Magie eine Geburt ist. Kaum greifbare Emotionen überströmten mich. Ich war Mama. Von nun an würde ich Mama sein. Solange ich lebte. 

Die Hebamme sagte mir, dass meine Mama ebenfalls im Krankenhaus sei und bot an, auf der Station anzurufen. Ihr Herz wurde immer schwacher, aber ich war mir sicher, das es ganz stark schlug, als sie die Räubertochter in ihren Armen hielt. Als erster Mensch, außer der Hebamme und uns, ihren Eltern.




Vier Monate lang konnte sie uns noch begleiten. Konnte der Räubertochter so viel Liebe schenken, wie mir in meiner eigenen Kindheit. Sie war eine Kümmererin. Immer. Manchmal eine Glucke. Aber vor allem war sie immer für mich da. So wie ich für sie. Fast jeden ihrer letzten Tage haben wir an ihrem Bett gesessen. Die Räubertochter und ich. Ich habe ein Foto aus dem Krankenhaus. Die Krankheit hat sie zu diesem Zeitpunkt schon stark gezeichnet, aber sie lacht. Weil sie die Räubertochter im Arm hält. Ein Foto, das der Räubertochter ein Leben lang zeigen wird, dass es einen Menschen gab, der sie so sehr geliebt hat wie wir.

Auf ihrer Beerdigung haben wir "Weißt du wieviel Sternlein stehen?" gesungen. Auf der Taufe der kleinen Raupe (Kind Nr.2) auch. Mama hat es mir früher vorgesungen. Ich singe es jeden Abend meinen Kindern. Das ist die Brücke zwischen uns vieren. Unsere Verbindung. 




Den Weg der Sterbebegleitung mit einem Säugling zu gehen war eine schwere Entscheidung. Ich habe noch gestillt, hätte aber Milch abpumpen können. Ich wollte so oft bei meiner Mama sein, wie es möglich war und ich wollte, dass meine Mama ihre Enkeltochter sieht, so oft es eben ging.

Manchmal sehe ich meine Traurigkeit in der Räubertochter, an manchen Tagen tritt sie hervor. Sie hat eine Spieluhr, die wir zur Zeit der Erkrankung und des Abschied nehmens immer gehört haben und wenn diese Spieluhr spielt, muss sie weinen, obwohl sie damals nicht älter als vier Monate war. Und manchmal müssen wir beide gegen unsere Angst des verlierens ankämpfen. Aber trotzdem glaube ich, das diese Entscheidung die richtige war.




Meine Mama fehlt mir sehr. Ihr Verlust hat ein Loch gerissen, das nicht einfach so zuwächst. Mir fehlt es, dass sie mir Suppe kocht, wenn ich krank bin, dass sie mich "Mein Kind" nennt, mir übers Haar streichelt und mir erklärt wie sie Dinge versteht. Mir fehlen ihre Ratschläge zum Kinder erziehen und mir fehlt ein Mensch, der meine Kinder genauso liebt, wie mein Mann und ich. 




Fast jeden Tag erzähle ich meinen Kindern von ihr. Was wir gemacht haben, als ich klein war. Was sie uns für Geschichten erzählt hat. Welche Bücher sie uns vorgelesen hat. Wie witzig sie war und dass sie Pferde so sehr geliebt hat wie wir. Und ich bin nur deshalb eine Mama, wie ich sie bin, weil ich genau das von meiner Mama mitbekommen habe.

"Meine Oma Bärbel wohnt im Himmel. Das ist ganz weit weg. Die kann nicht mehr zu uns kommen. Die hat da ein Pferd. Das heißt Merlin." 





G E W I N N S P I E L



Gewinne eine Ausgabe des wunderschönen Bildbands "Mama" von Hélène Delforge und Quentin Gréban, den zarte und berührende Worte und Bilder über Mutterschaft zieren.

Welches Lied verbindet dich und deine Mama oder verbindest du mit deiner Mama?





Teilnahmebedingungen:

  • Beantworte meine Frage im Kommentarfeld.
  • Teilnehmen dürfen alle aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, die über 18 Jahre alt sind. Wer jünger ist, benötigt das Einverständnis seiner Eltern.
  • Der Gewinnspielzeitraum ist vom 12.05.2019 - 19.05.2019 um 23:59 Uhr
  • Der / die GewinnerIn wird in diesem Beitrag bekannt gegeben. Wer per Mail benachrichtigt werden möchte, hinterlässt mir bitte die entsprechende eMail Adresse.

Weitere Beiträge zum Buch "Mama", zum Thema Mutterschaft und die Chance auf den Gewinn eines Exemplars von "Mama" findest du auf:

Kathrineverdeen
Lesenslust
Stefanie Scharl - Illustartionen
Katze mit Buch
Bücher ohne Ende




Text & Fotos: © 2019, Nanni Eppner

10 Kommentare:

  1. Nanni! Mir fehlen die Worte. Dafür laufen mir die Tränen die Wangen herunter.
    Fühl dich ganz fest in den Arm genommen. Immer.

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    1. Danke, meine liebe Tine. Ich hab beim Schreiben auch durchweg geweint. Ich vergesse auch immer wieder wie sehr solche besonderen Tage wie Muttertag oder Weihnachten etwas in mir auslösen.

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    2. Ja, das kann ich mir gut vorstellen, dass du viel weinen musstest. Genau deswegen ist der Text auch so unglaublich intensiv geworden.
      Ich habe Rüdiger gerade eben von deinem Text erzählt und auch er hat mitgeweint.

      Rüdiger fragte, ob ich deine Mama kennengelernt habe. Es ist so schön, dass das der Fall ist!

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  2. Mir hat es schier das Herz zerissen und es sind ganz viele Tränen über meine Wangen gerollt. Es tut mir so leid, dass dir der Krebs deine Mama genommen hat. Danke, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast.

    Drück dich,
    Steffi

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  3. Liebe Nanni,
    auch mir schossen beim Lesen die Tränen in die Augen. Man spürt einfach in jeder Zeile und in jedem Wort die Liebe, die euch verbindet. Das ist wirklich schön.
    Krebs ist ein Arschloch. Es tut mir so Leid, dass er auch in euer Leben getreten ist.
    Ganz liebe Grüße
    Julia

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  4. So gut geschrieben, trotz allem habt ihr die schönen Erinnerungen aufrechterhalten! Meine Mama hat uns immer „Müde bin ich geh zur Ruh, schließe meine Augen zu. Vater lass die Augen dein über meinem Bettchen sein“ vorgesungen und für uns gebetet und uns somit ihren Glauben nahe gebracht. Meine Kinder kennen dieses Lied nun auch und lieben ihre Großeltern.
    janeherrmann@web.de

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  5. Ein Lied das mich mit meiner Mama verbindet gibt es eigentlich nicht so richtig. Es gibt aber zwei plattdeitsche Lieder, die meine Mutter und mein Vater uns zum Schlafen vorgesungen haben. Diese Lieder werden mich auch immer an sie erinnern.

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  6. Ich gestehe, mir laufen Tränen die Wangen herunter, während ich gelesen habe.. und jetzt, während ich meinen Kommentar schreibe, für den mir eigentlich die Worte fehlen. Nanni, als erstes möchte ich dich umarmen und dir sagen, wie sehr ich mit dir fühle. Ich freue mich für dich, dass es noch die Gelegenheit gab, dass sich die beiden kennen lernen konnten. Das ist viel wert. Diese Erinnerungen sind unterbewusst verankert und werden euch immer begleiten. ♥

    Ich habe das Buch selbst vor ein paar Wochen entdeckt und überlegt, ob es mir gut tun würde oder nicht. Das Verhältnis zu meiner Mutter ist leider ein ganz anderes. Vielleicht reißt es Wunden auf, vielleicht weckt es nicht erlebte Sehnsüchte.. vielleicht kann ich es aber auch einfach als ein wunderschönes Buch betrachten, das Liebe illustriert und das widerspiegelt, das ich für meine Kinder empfinde. Daher möchte ich nun doch ins Lostööpfchen springen.

    Danke für deine so tief in mein Herz vordringenden Worte. Danke, dass du deine Geschichte mit uns teilst, obwohl es dir sicher nicht leicht gefallen ist.

    Fühl dich umarmt.
    Sandra

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  7. So ein berührender Text. Fühl dich ganz fest gedrückt. Meine Mama ist auch für meine Kinder eine feste Konstante und ich habe jetzt schon große Angst vor dem Tag, an dem sie nicht mehr bei uns ist. Deine Tochter dabei zu haben und ihr diese Zeit mit ihrer Oma zu schenken, deiner Mutter ihre Enkelin zu zeigen, das war genau das Richtige.

    Meine Mutter hat uns immer viel vorgesungen. Am meisten sehe ich das an den Liedern, die sie auch meinen Kindern vorsingt. Den kleinen Häwelmann, wenn sie nicht schlafen wollen. Oder "wie ein Fähnlein sich im Winde", um sie abzulenken. "Aki, ihr Buwe", wenn sie sich weh getan haben. In den selben Situationen singe auch ich ohne nachzudenken diese Lieder.


    LG
    Eva

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    1. Vielen lieben Dank für deine nette Antwort :)
      Die Auslosung hat ergeben, dass du ein Exemplar von "Mama" gewonnen hast.
      Bitte sende mir deine Adresse an nannimax@gmx.net

      Liebe Grüße, Nanni

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Liebe Grüße,
Nanni