07.05.22

Der Salon 01: Wunder einer neuen Zeit | Julia Fischer



 

1956. Die junge Leni aus dem ländlichen Hebertshausen kann ihr Glück kaum fassen: Die Anstellung bei dem vornehmen Friseur Keller in München ist der erste Schritt zur Verwirklichung ihres großen Traums – ein eigener Salon in der Stadt. Unterdessen hadert ihr Bruder Hans mit seinem Medizinstudium. Seine Leidenschaft gilt der Jazzmusik – und Lenis Freundin Charlotte, die in einer unglücklichen Ehe gefangen ist. Während sie alle darauf hoffen, ihr Glück zu finden, stellt ein Schicksalsschlag ihre Zuversicht auf eine harte Probe …
(Text & Cover: ©Lübbe; Foto: ©N. Eppner)

Nach den ersten Zeilen von "Der Salon. Wunder einer neuen Zeit" dachte ich, dass mich sicher eine nette Zeitreise in die 50er Jahre erwarten würde. Nachdem ich in den letzten Jahren so viele Roman las, die zwischen den beiden Weltkriegen oder während des zweiten spielen, suchte ich schon seit längerem nach einem Buch, das genau diese Zeit des Wiederaufbaus, der alten Verletzungen und neuen Möglichkeiten thematisiert. Dass mich Julia Fischer letztendlich so begeistern und berühren würde, hätte ich nicht erwartet.

Als Fan von Rock'n'Roll und Petticoats, ließ ich mich in der Vergangenheit sehr von der romantisierten Variante der 50er und 60er Jahre mitreißen. Die Erzählungen meiner Großeltern, die damals Jugendliche waren, und nach all dem Leid des Krieges zwar hart arbeiten mussten, aber ihre wenige freie Zeit mit viel Freude und Freunden genossen und den Blick stets auf das Gute richteten, gaben ihr Übriges dazu. Julia Fischer zeigt, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, und wie sehr insbesondere Frauen für Freiheit und Anerkennung kämpfen mussten und wie sehr die Schatten der Vergangenheit auf den Zurückgebliebenen und Überlebenden lasteten.

Protagonistin Leni ist eine wundervolle Protagonistin. Sympathisch durch und durch, taff, selbstständig, hilfsbereit, eigensinnig. Eifrig verfolgt sie ihren Weg zum Glück, lässt sich nicht unterkriegen und steht für sich ein. Ein eigener Salon ist ihr Traum. Der erste Schritt dorthin ist weg vom ländlichen Laden der Mutter, hin in einen renommierten Salon in der Stadt. Dort wird sie misstrauisch betrachtet, doch ihre forsche und gleichzeitig liebenswerte Art, bringt ihr sofort Sympathien. 
 
Im Salon Keller freundet sie sich mit Charlotte an, unglückliche Frau eines Patriarchen, der seine Macht ausspielt und notfalls mit Gewalt durchsetzt. Lenis Bruder Hans ist sofort angetan von der Schönheit des ehemaligen Models und würde am liebsten mit ihr durchbrennen. Doch sein Medizinstudium hält ihn gefangen. Ein Versprechen, das er seinem Vater gab, der nicht mehr zurückgekehrt ist aus dem Krieg, der so vielen Familien das Unglück brachte. Hans ist Teil eines Quartetts von Student*innen, dem sich auch Leni anschließt und dabei ihr Herz verliert. Dabei hat sie eigentlich gar keine Zeit für die Liebe, denn ihre Karriere macht unverhoffte Sprünge.

Jede der Figuren, die gemocht werden sollen (es gibt natürlich auch Antagonist*innen) ist absolut großartig, sympathisch und liebenswert. Mit ganz viel Liebe zum Detail werden die Charaktere mit einer Tiefe ausgestattet, die sie so lebendig werden lässt, dass es mir schwer fällt mit dem Beenden des Romans Abschied zu nehmen (zum Glück erscheint schon im Herbst der zweite Teil). Ich bin regelrecht in die Geschichte hineingestiegen, die ich als Hörbuch hörte, das mit Julia Fischers großartiger Stimme und einem feinen Münchner Dialekt eine plastische Dynamik bekommt.

Es sind vor allem die Frauen des Romans, die mich begeistern. Julia Fischer zeigt an zwei Generationen aus verschiedenen Lebensentwürfen wie hart der Krieg nachhaltig Denken und Handeln beeinflusst und wie eingeschränkt Frauen in dieser Zeit in ihren Rechten waren. Charlotte muss zuerst ihren Mann um Erlaubnis fragen, um arbeiten gehen zu können, und das Leni den Führerschein macht, ist eine kleine Sensation. Sie alle kämpfen sich durch, lassen sich nicht unterkriegen. Sie werden nicht, wie es manchmal in Büchern der Fall ist, zu konstruiert wirkenden Superheldinnen, sondern sind einfach Frauen, die für ihre Rechte und Wünsche einstehen. Beispielhaft. Vorbildlich, auch für die heutige Zeit. Das, was diese Frauen damals geleistet haben, sollte von uns nicht mit Füßen getreten werden. Wegen solcher Frauen und für uns selbst, ist es wichtig, weiterhin für Gleichstellung einzustehen.

Für das Ende des ersten Bandes möchte ich die sehr sympathische Autorin eigentlich schütteln. Während des Hörens, sagte ich immer wieder laut:"Das kann sie doch nicht machen!! Nein!! Das geht doch nicht!!" Aber sie tat es doch und trieb mir damit die Tränen in die Augen. Aber am beste liest / hörst du selbst. Große Empfehlung für "Der Salon. Wunder einer neuen Zeit".


Buchinfo:

508 Seiten
Paperback 14,99 €
Hörbuch Download 13,99 €


Rezensionen: ©2022, Nanni Eppner

4 Kommentare:

  1. Liebe Nanni,
    das ist eine wirklich tolle und begeisterte Rezension! ich habe das Buch gemeinsam mit der Autorin in einer Leserunde gelesen und habe es ebenfalls geliebt! Man erfährt so viele Dinge über diese Zeit und Julia Fischer hat uns auch mit vielen Fotos und Erinnerungen an dieser Zeit teilhaben lassen. Beim Schluss des ersten bandes sind wir uns wohl alle einig....
    Ich freue mich shcon auf Teil 2!
    Liebe Grüße
    Martina

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    1. Vielen Dank, liebe Martina. Ich hatte über Instagram Kontakt zu der Autorin. Sie ist ja wirklich sehr sympathisch und ich bin richtig begeistert von ihrem Wissen über Dinge aus dieser Zeit. Sie muss ja auch unfassbar viel recherchiert haben.
      Ich freue mich auch schon sehr auf Band 2.
      Liebe Grüße,
      Nanni

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  2. Ich kann nur beipflichten. Ein wunderbares Buch und Höhrbuch .Einmal angefangen kann man nicht mehr aufhören. Mein ganz großes Kompliment an Julia Fischer .

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    1. Ja, absolut. Die Autorin hat sicher auch sehr ausführlich recherchiert. Das merkt man der Geschichte an.
      Viele Grüße,
      Nanni

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