31.07.23

Das Café ohne Namen | Robert Seethaler



 

Wien im Jahr 1966. Robert Simon verdient sein Brot als Gelegenheitsarbeiter auf dem Karmelitermarkt. Er ist zufrieden mit seinem Leben, doch zwanzig Jahre nach Ende des Krieges hat sich die Stadt aus ihren Trümmern erhoben. Überall wächst das Neue, und auch Simon lässt sich mitreißen. Er pachtet eine Gastwirtschaft und eröffnet sein eigenes Café. Das Angebot ist überschaubar, und genau genommen ist es gar kein richtiges Café, doch die Menschen aus dem Viertel kommen, und sie bringen ihre Geschichten mit – von der Sehnsucht, vom Verlust, vom unverhofften Glück. Sie kommen auf der Suche nach Gesellschaft, manche hoffen sogar auf die Liebe, und während die Stadt um sie herum erwacht, verwandelt sich auch Simons eigenes Leben.
(Text & Cover: © Ullstein, Foto: © N. Eppner)


Ein Morgen im Cafè. Für mich ein Moment der Ruhe, Auszeit oder auch der Freude, Glückseligkeit, der sozialen Interaktion, wenn ich mich dort mit einer Freundin treffe. Beim Kaffee oder Tee lässt es sich philosophieren, sagen wir manchmal Dinge, die wir sonst nicht so gern besprechen, werden Gedanken gelöst, geraten in Bewegung.

So ist es auch in Simons Café. Dem Ort, an dem sich die Menschen der Umgebung treffen. Menschen unterschiedlicher Herkunft, mit unterschiedlichen Gedanken, Gefühlen, Sehnsüchten. Manche bleiben geheim, viele werden ausgesprochen, Beziehungen werden aufgebaut und gebrochen. Simons Café tröstet, motiviert, holt auf den Boden der Tatsachen zurück. 

Das Leben ist kein Spaziergang und irgendwie doch, denn es ist beständig in Bewegung. Das erfahren auch die Protagonist*innen in "Das Café ohne Namen". Zum Beispiel der Ringer vom Jahrmarkt, der die beste Zeit hinter sich hat und verzweifelt versucht an Jugend und Erfolg festzuhalten und dessen Leben ein und Auf und Ab der Gefühle ist. 

Es sind die Höhen und Tiefen des Lebens, die unsere Protagonisten prägen und im Handeln beeinflussen. Mal mehr, mahl weniger aktiv reagieren sie darauf oder ertragen geduldig, was ihnen begegnet.

"Die Welt dreht sich immer schneller, da kann es schon passieren, dass es einige von denen, deren Leben nicht schwer genug wiegt, aus der Bahn wirft.
Ist es da nicht gut, wenn es einen Platz gibt, an dem man sich festhalten kann?"

Mich selbst sehe ich als stille Beobachterin im Café sitzen, ungeduldig abwartend wer als nächstes hereinkommen und mir seine oder ihre Geschichte erzählen wird. Trotz der Dramatik einiger Schicksale, mit der Seethaler auch nicht geizt, die dem ganzen aber nichts negatives, sondern eine gewisse Authentizität verleiht und irgendwie auch eine Form von Hoffnung gibt, freue ich mich auf jede einzelne Begegnung.

"Das Café ohne Namen" ist das perfekte Buch für einen Nachmittag im Café. Anrührend und geduldig, mit klarem Stil schreibt der Autor über Menschen, die vom Leben bewegt werden. Ich verfalle schnell dem Sog seiner Schreibe, mag das Buch nicht aus der Hand legen. Einzig mit der Zeit, in der es spielen soll, gehe ich nicht ganz d'accord. Diese Ruhe, diese Gelassenheit, Simons innere Zufriedenheit in seiner Anspruchslosigkeit, seiner Art mit wenig auszukommen, nichts hinterherzujagen, fühlt sich für mich mehr nach einer Geschichte aus der Jahrhundertwende an, als nach den 60 Jahren später, in denen das "Das Café ohne Namen" spielt. Ich musste mich manchmal daran erinnern in die richtige Zeit zu reisen.

"Das Café ohne Namen" gefällt mir so sehr. Ich mag es allen empfehlen, die entschleunigen wollen, die ein gutes Gespräch suchen, etwas Gesellschaft. Zum Glück stehen schon weitere Bücher des Autors im Regal, die definitiv ganz bald gelesen werden. 


Buchinfo:

288 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag 24,00 €


Rezensionen: ©2023, Nanni Eppner

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