Johanna und Ernst
sind seit 15 Jahren beste Freunde. Seit Johanna Ernst aus Versehen
nach Hause gefolgt ist und dort erfahren hat, dass Ernst Chinese ist,
obwohl seine Eltern Sibylle und Johannes keine Asiaten sind.
Ernst möchte wissen
woher er stammt. Wer seine Mutter ist, wie sie aussieht, ob es
Ähnlichkeiten zwischen ihnen gibt. Er ist sprichwörtlich auf der
Suche nach seinen Wurzeln. In der Praxis haben sie längst ihre Erde
gefunden. Sind beheimatet bei Sibylle und Johannes.
Trotzdem fühlt er
sich ruhelos. Benötigt Bestätigung seiner Vermutungen und
Fantasien, die vielleicht aber auch zunichte gemacht werden. Egal. Er
möchte seinen Lebensweg weitergehen. Dafür muss er einzelne
Streckenziele erreichen. Und dazu zählt eben auch zu wissen, wo sein
Leben seinen Anfang genommen hat.
Die Reise dorthin
ist nicht einfach. In China fällt er als Ausländer auf. Trotz
Sibylles Bemühungen ihm chinesisch beizubringen, eine Verzweigung
nach China zu schaffen, um seine Wurzeln so zu stärken, merken
Einheimische sofort, dass er nicht von dort ist. Die Suche nach
seiner Mutter lässt ihn gleichzeitig vorwärts kommen und rückwärts
gehen. Es ist ihm, als müsse er erneut eine Geburt, ein erstes
Kennenlernen und Entwicklung von Sprache, Wahrnehmung, Lernen durch
Sehen, durchlaufen.
Zeitgleich bricht er
den Kontakt zu Johanna ab. Dafür hat er gerade keinen Kopf. Während
er seine Wurzeln tiefer und tiefer in den Boden gräbt, verlieren
Johannas an Halt. Ein gut gehütetes Geheimnis sorgt für eine
Erschütterung dessen, was sie bis dato als einengend empfunden hat,
was aber eigentlich – wie ihr nun klar wird – eine sichere Stütze
war.
Cornelia Travnicek
hat zwei Protagonisten entwickelt, die sich gerade in einer
interessanten Phase ihres Lebens befinden. Einem Lebensabschnitt, den
wir alle durchlaufen. In dem Wurzeln, Herkunft, Ähnlichkeiten
innerhalb der Familie, genetisches Erbe, hinterfragt und beleuchtet
werden, bevor wir nach und nach den Schritt in einen neuen Abschnitt
wagen. Einen Schritt, der Mut und eine gewisse Ausprägung an
Verwurzelung erfordert, um gelingen zu können.
Die junge
österreichische Autorin konnte mich abermals überzeugen, obwohl die
Stimmung anders ist, als in ihrem bereits verfilmten Debüt „Chucks“
und sie auch sprachlich anders vorgeht. Das gefällt mir. Sie spielt
mit ihrer Schreibe, hat vielleicht eine andere Seite an sich selbst
entdeckt und schöpft ihr Können aus, anstatt in ihrer Schublade zu
verharren.
Obwohl nicht nur
Ernsts Geschichte, sondern auch Johannas von einem gewissen ernst
geprägt ist, ist die Schreibe voll untergründigem Humor, Sprachwitz
und Tändelei. Sätze, in denen wichtige inhaltliche Elemente
versteckt sind, die zum hinterfragen und entdecken einladen, können
mich begeistern. Cornelia Travnicek ist damit für mich von einem
einmaligen Glücksgriff zu einer Autorin geworden, zu deren Romanen
ich nun gezielt greifen werde. Mit dem Gedanken daran, dass ich nicht
weiß was auf mich zukommt, wie weit sie sich treu bleibt oder
experimentiert, aber mit der Zuversicht, dass sie etwas schreibt, das
Denkanstöße gibt und meinen Blickwinkel verändert.
Buchinfo:
DVA
(Oktober 2015)
240
Seiten
Paperback,
Klappenbroschur
14,99
€
Hier versandkostenfrei bestellen:
Social Media:
DVA
auf Facebook
DVA
auf Twitter
Weitere
Rezensionen zu „Junge Hunde“:
Cornelia Travnicek auf Fantasie und Träumerei:
Rezension
„Chucks“
Treffen
auf der FBM15
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hallo,
schön, dass du hier her gefunden hast. Ich freue mich über deinen Kommentar.
Mit dem Absenden deines Kommentars gibst du dich einverstanden, die bestehenden Datenschutzbestimmungen (s. entsprechende Seite auf meinem Blog) zu akzeptieren.
Liebe Grüße,
Nanni