22.06.17

Alle Vögel unter dem Himmel - Charlie Jane Anders



›Alle Vögel unter dem Himmel‹ von Charlie Jane Anders ist vieles: ein magischer Science-Fiction-Roman, eine unvergessliche Liebesgeschichte zwischen einer Hexe und einem Nerd – und eine feinsinnige Bestandsaufnahme des modernen Lebens.
Patricia Delfine merkt früh, dass sie eine Hexe ist. Schließlich kann sie mit den Vögeln sprechen – oder konnte es früher zumindest einmal (an jenem warmen Sommertag). Laurence Armstead ist ein Nerd: Schon als Highschool-Schüler erfindet er in seinem Kinderzimmer eine Zeitmaschine, die es ihm erlaubt, zwei Sekunden in die Zukunft zu reisen. Obwohl sie unterschiedlicher nicht sein könnten, werden sie schnell Freunde. 
Gegen Ende der Schulzeit verlieren sie sich aus den Augen, nur um sich einige Jahre später in San Francisco wiederzutreffen: Doch der Zeitpunkt ist denkbar ungünstig: Die Welt wird gerade von einer ökologischen Katastrophe heimgesucht: Ganze Regionen versinken im Meer, Flüchtlingsströme durchziehen die Welt. Wissenschaftler wie Hexen suchen nach einem Ausweg, können sich jedoch nicht einigen. Laurence und Patricia finden sich auf unterschiedlichen Seiten der Auseinandersetzung wieder und müssen sich fragen: Wem können wir trauen, wenn die Welt aus den Fugen gerät, dem Verstand oder dem Gefühl? (Text & Cover: © S. Fischerverlage; Foto: N. Eppner)

Whow! Nie im Leben hätte ich hinter Klappentext und Cover so eine fantasievolle, Ideenreiche und spannende Geschichte erwartet. Charlie Jane Anders hat mich so begeistert und gefesselt, dass ich richtig traurig darüber bin, das Buch bereits beendet zu haben.

Patricia und Laurence sind zwei Außenseiter. Sie Hexe, er Wissenschaftsnerd. Nicht gerade die Persönlichkeitsmerkmale, die in der High School zu großer Beliebtheit führen. Hänseleien und Gewalt ausgesetzt, finden sie zueinander, werden so etwas wie Freunde in der Not. Tiefschneidende Ereignisse führen dazu, dass die beiden sich aus den Augen verlieren.

Jahre später finden sie sich wieder. Beide haben versucht ihren Traum zu leben. Laurence als großer Wissenschaftler, Patricia als Hexe. In beiden brodeln nach wie vor die Ereignisse aus der Kindheit und Jugendzeit. Geringes Selbstbewusstsein, Minderwertigkeitskomplexe, der Wunsch es allen Recht zu machen und Menschen von Not und Angst zu heilen, sind die Gefühle mit denen sich beide auf ihre Art auseinandersetzen müssen. 

Während junge Menschen mit ihren privaten Problemen kämpfen, schippert die Welt dem Abgrund entgegen. Stürme, Unwetter und Naturkatastrophen nehmen zu. Die Welt scheint sich für das zu rächen zu wollen, was man ihr seit etlichen Jahren zumutet. Ein Ausweg muss her. Doch welcher ist der richtige? Und ist die Welt überhaupt noch zu retten?

Charlie Jane Anders zeigt auf ganz beeindruckende Art, was die phantastische Literatur zu leisten vermag. AutorenInnen haben in diesem Genre die Option ihrer Fantasie freien Lauf, Ideen sprudeln zu lassen, mit Farben, Worten und Bildern zu spielen und das Unmögliche möglich zu machen. Charlie Jane Anders macht sich all diese Möglichkeiten zu Nutze und wählt ein Setting, das sehr nah an der Realität ist.

Mit fabelhaft bissigem, ironischem Unterton erzählt sie eine Geschichte, die gleichfalls unterhaltsam und kritisch ist. Prototypen stehen extrem individuellen Charakteren gegenüber, verflechten sich zum Kampf zwischen Dummheit und Cleverness und ganz nebenbei geht die Welt zugrunde. Viele Ideen perfekt verwoben. 

Besonderes Augenmerk liegt a) auf dem Verhalten der Menschen, dass - wie in der Realität auch - nicht immer nachvollziehbar ist und b) auf dem verschwenderischen Umgang mit unserem Planeten, so als sei er ein nachwachsendes Etwas, unerschütterlich bis in die Grundfeste. Nach uns die Sinnflut.

Trotz deutlich phantastischen Elementen wie Zauber und Zeitreisen, fühle ich mich von mehr Realität umgeben, als in manchem Sachbuch. Die zum Teil überzogene Darstellung einiger Problematiken, die nicht Naturgegeben sind, sondern deshalb verursacht werden, weil wir Menschen uns über die Dinge stellen, sorgt dafür, dass ich als Leser diese Probleme klar und deutlich vor Augen habe. Deutlicher kann ein Wink mit dem Zaunpfahl kaum sein und doch ist es kein erhobener Zeigefinger, sondern eher nach dem Motto:"Merkste selbst, dass es nicht so gut läuft". Nicht nur im Bereich Umweltschutz, sondern auch oder vor allem, auf Zwischenmenschlicher Ebene.

Du siehst - ich bin begeistert. Restlos! "Alle Vögel unter dem Himmel" ist nicht nur ausgesprochen klug, sondern auch extrem unterhaltsam. Lässig geschrieben, tiefgründig, und so voller Überraschungen, dass niemals Spannung verloren geht. Ich hoffe, dass Autorin Charlie Jane Anders noch mehr solch tolle Romane liefern wird.

Buchinfo:

S. Fischerverlage TOR (März 2017)
416 Seiten
Klappenbroschur
14,99 €
ÜBERSETZUNG: Sophie Zeitz

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2 Kommentare:

  1. Dieses hübsche Büchlein habe ich auf meiner Wunschliste stehen. Ich weiß nur noch nicht ob ich es mir auf deutsch oder englisch holen soll. Tolle Rezension :)
    Liebe Grüße
    Kathrin

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    1. Hallo,

      ich könnte mir vorstellen, dass es auch auf Englisch gut zu lesen ist. Ich persönlich habe da manchmal ein bisschen Probleme die Atmosphäre richtig zu erfassen, aber ich lese auch viel zu selten auf Englisch. Schade wäre, wenn dir der ironische Unterton abhanden kommen würde. Der hat mir so richtig gut gefallen.

      Liebe Grüße
      Nanni

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