Die Lebenswege von Smita, Giulia und Sarah könnten unterschiedlicher nicht sein. In Indien setzt Smita alles daran, damit ihre Tochter lesen und schreiben lernt. In Sizilien entdeckt Giulia nach dem Unfall ihres Vaters, dass das Familienunternehmen, die letzte Perückenfabrik Palermos, ruiniert ist. Und in Montreal soll die erfolgreiche Anwältin Sarah Partnerin der Kanzlei werden, da erfährt sie von ihrer schweren Erkrankung.
Ergreifend und kunstvoll flicht Laetitia Colombani aus den drei außergewöhnlichen Geschichten einen prachtvollen Zopf.
(Text & Cover: © S. Fischerverlage; Foto: © N. Eppner)
Drei Frauen, drei Schicksale. Drei Kämpfe ums Überleben, um Anerkennung, um Bedürfnisse, um Rechte, die ihnen abgesprochen werden, weil sie Frauen sind.
Smita lebt in einem indischen Slum. Sie leert die Toilettenvorrichtungen reicher Menschen, sitzt abends kotzend und stinkend am Straßenrand und wünscht sich nichts sehnlicher, als ihrer Tochter dieses Schicksal ersparen zu können. Doch das Kastensystem ihrer Religion spricht dagegen. Wessen Eltern in eine Kaste hineingeboren sind, der hat auch dort zu bleiben. Regelverstöße werden bestraft. Meist sind es die Frauen, die diese Strafe austragen müssen. Hat ein Mann gegen die Gesetze verstoßen ist es seine Frau, seine Tochter, seine Schwester, die eine entsprechende Bestrafung hinnehmen muss. Wenn ich Bestrafung sage, meine ich legale Vergewaltigung. Manchmal von mehreren Männern über Tage hinweg.
Ich war schockiert, als ich das gelesen habe. Welchen Luxus genießen wir doch in der westlichen Welt. In unserer Demokratie, in der wir mitentscheiden können, in der wir eine Wahl haben und in der wir Frauen zumindest annähernd alles erreichen können, was wir wollen. Ich muss gestehen, dass mir dieses Ausmaß menschenverachtenden Verhaltens nicht bewusst war.
Dass es auch in scheinbar modernen Gesellschaften immer noch einen tiefen Graben zwischen Ansprüchen, Anerkennung und Leistungen von Männern und Frauen gibt, verdeutlicht uns die Geschichte von Sarah. Als Partnerin in einer Kanzlei gibt sie alles und noch viel mehr. Sie verleugnet Mutter zu sein, lebt für ihren Beruf, organisiert ihre Familie im Hintergrund mit Hilfe eines Kindermädchens (in dem Fall Kinderbübchen) und verheimlichte sogar ihre Schwangerschaften. Ausschlaggebend für diese Handlungen ist ihre Angst davor, dass ihr das Mutter sein, ja sogar das Frau sein, als Schwäche ausgelegt werden könnte. Basierend auf Vorurteilen wie Frauen sind schwach, Mütter haben zu viele Fehltage, sie konzentrieren sich nicht auf ihren Job, sondern auf ihre Familie usw. Vorurteile, die Sarahs Kompetenzen völlig überschatten und zeigen, dass es immer noch in vielen Bereichen eine Unterteilung gibt, dass es hier zwar kein Kastensystem, aber ein Schubladendenken gibt und nicht der Mensch als Mensch im Fokus steht.
Giulia ist die Tochter eines italienischen Unternehmers. Seit Generationen stellen die Männer ihrer Familie Perücken aus italienischem Echthaar her. Ein Unfall ihres Vaters stellt Giulia vor die Frage, ob sie weiterhin den Vorgaben der patriarchischen Familienkonstellation unterliegt oder ob sie die Zügel in die Hand nimmt und etwas wagt, was gegen die Tradition der Familie spricht.
Laetitia Colombani hat einen sehr bewegenden Roman geschrieben, der die Missstände zum Thema Gleichberechtigung deutlich aufzeigt. Dabei geht es nicht nur um feministische Gedanken, sondern prinzipiell um Gleichheit aller Menschen. Dass es Frauen in verschiedenen Formen nach wie vor härter trifft als Männer ist jedoch eine traurige Tatsache über die geredet werden muss, um etwas zu ändern. Dafür brauchen wir Bücher wie "Der Zopf", die nicht nur über klare Fakten reden, sondern mitten ins Herz treffen. Die emotional bewegen und dadurch aufrütteln.
Mich hat "Der Zopf" extrem berührt. Als Mutter zweier Töchter ist mein Alltag begleitet von Ängsten um sie und dem Wunsch, dass sie ihr Leben einmal so leben können, wie sie es sich wünschen. Ohne sich verstellen zu müssen, weil sie Frauen sind. Der Weg dorthin ist nach wie vor steinig, aber Bücher wie "Der Zopf" geben Hoffnung, dass ein Umdenken möglich ist und auch erfolgen kann.
Smita lebt in einem indischen Slum. Sie leert die Toilettenvorrichtungen reicher Menschen, sitzt abends kotzend und stinkend am Straßenrand und wünscht sich nichts sehnlicher, als ihrer Tochter dieses Schicksal ersparen zu können. Doch das Kastensystem ihrer Religion spricht dagegen. Wessen Eltern in eine Kaste hineingeboren sind, der hat auch dort zu bleiben. Regelverstöße werden bestraft. Meist sind es die Frauen, die diese Strafe austragen müssen. Hat ein Mann gegen die Gesetze verstoßen ist es seine Frau, seine Tochter, seine Schwester, die eine entsprechende Bestrafung hinnehmen muss. Wenn ich Bestrafung sage, meine ich legale Vergewaltigung. Manchmal von mehreren Männern über Tage hinweg.
Ich war schockiert, als ich das gelesen habe. Welchen Luxus genießen wir doch in der westlichen Welt. In unserer Demokratie, in der wir mitentscheiden können, in der wir eine Wahl haben und in der wir Frauen zumindest annähernd alles erreichen können, was wir wollen. Ich muss gestehen, dass mir dieses Ausmaß menschenverachtenden Verhaltens nicht bewusst war.
Dass es auch in scheinbar modernen Gesellschaften immer noch einen tiefen Graben zwischen Ansprüchen, Anerkennung und Leistungen von Männern und Frauen gibt, verdeutlicht uns die Geschichte von Sarah. Als Partnerin in einer Kanzlei gibt sie alles und noch viel mehr. Sie verleugnet Mutter zu sein, lebt für ihren Beruf, organisiert ihre Familie im Hintergrund mit Hilfe eines Kindermädchens (in dem Fall Kinderbübchen) und verheimlichte sogar ihre Schwangerschaften. Ausschlaggebend für diese Handlungen ist ihre Angst davor, dass ihr das Mutter sein, ja sogar das Frau sein, als Schwäche ausgelegt werden könnte. Basierend auf Vorurteilen wie Frauen sind schwach, Mütter haben zu viele Fehltage, sie konzentrieren sich nicht auf ihren Job, sondern auf ihre Familie usw. Vorurteile, die Sarahs Kompetenzen völlig überschatten und zeigen, dass es immer noch in vielen Bereichen eine Unterteilung gibt, dass es hier zwar kein Kastensystem, aber ein Schubladendenken gibt und nicht der Mensch als Mensch im Fokus steht.
Giulia ist die Tochter eines italienischen Unternehmers. Seit Generationen stellen die Männer ihrer Familie Perücken aus italienischem Echthaar her. Ein Unfall ihres Vaters stellt Giulia vor die Frage, ob sie weiterhin den Vorgaben der patriarchischen Familienkonstellation unterliegt oder ob sie die Zügel in die Hand nimmt und etwas wagt, was gegen die Tradition der Familie spricht.
Laetitia Colombani hat einen sehr bewegenden Roman geschrieben, der die Missstände zum Thema Gleichberechtigung deutlich aufzeigt. Dabei geht es nicht nur um feministische Gedanken, sondern prinzipiell um Gleichheit aller Menschen. Dass es Frauen in verschiedenen Formen nach wie vor härter trifft als Männer ist jedoch eine traurige Tatsache über die geredet werden muss, um etwas zu ändern. Dafür brauchen wir Bücher wie "Der Zopf", die nicht nur über klare Fakten reden, sondern mitten ins Herz treffen. Die emotional bewegen und dadurch aufrütteln.
Mich hat "Der Zopf" extrem berührt. Als Mutter zweier Töchter ist mein Alltag begleitet von Ängsten um sie und dem Wunsch, dass sie ihr Leben einmal so leben können, wie sie es sich wünschen. Ohne sich verstellen zu müssen, weil sie Frauen sind. Der Weg dorthin ist nach wie vor steinig, aber Bücher wie "Der Zopf" geben Hoffnung, dass ein Umdenken möglich ist und auch erfolgen kann.
Buchinfo:
S. Fischerverlage (2018)
288 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
20,00 €
ÜBERSETZUNG: Claudia Marquardt
Rezensionen: © 2018, Nanni Eppner
Hallo Nanni,
AntwortenLöschenauch ich fand den Roman wirklich gut, aber vorallem die Geschichthe rund um Smita. Sehr, sehr berührend!
Liebe Grüße
Martina
Hallo Martina,
LöschenSmitas Geschichte ist mir auch sehr nahe gegangen. Ich musste ständig daran denken wie es wohl ist, wenn man sich solche Sorgen um das eigene Kind machen muss. Wenn man genau weiß , dass dem Kind eine solche Zukunft droht und man nur etwas daran ändern kann, wenn man etwas lebensgefährliches wagt. Schlimm, dass solche Schicksale heute tatsächlich noch Realität sind.
Liebe Grüße,
Nanni
Um diesen Roman schleiche ich schon seit einer Weile unschlüssig herum, weil ich so widersprüchliche Meinungen dazu gehört habe (meine Kollegin fand ihn zu seicht). Thematisch klingt er auf jeden Fall interessant. Vielleicht schaue ich mal, ob ich ihn in der Bücherei ergattern kann.
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