01.06.19

Kurt | Sarah Kuttner




»Ich bin mit zwei Kurts zusammengezogen. Einem ganzen Kurt und einem Halbtagskurt. Jana und Kurt haben sich entschieden, dass sie ihr Sorgerecht teilen, vor allem wenn Kurt schon extra aufs Land zieht. Und so pendelt das Kind nun wochenweise zwischen seinen beiden Oranienburger Zuhauses hin und her: zwei Häuser, zwei Kinderzimmer, unterschiedliche Regeln und alle Menschen, die er liebt.
Und dann bin da noch ich.«
Lena hat mit ihrem Freund Kurt ein Haus gekauft. Es scheint, als wäre ihre größte Herausforderung, sich an die neuen Familienverhältnisse zu gewöhnen, daran, dass Brandenburg nun Zuhause sein soll. Doch als der kleine Kurt bei einem Sturz stirbt, bleiben drei Erwachsene zurück, deren Zentrum in Trauer implodiert.
(Text & Cover: S. Fischerverlage; Foto: N. Eppner)

Seit MTVs Kuttner (Sendung), habe ich einen Narren daran gefressen, wie Sarah Kuttner redet. Scheinbar ungebremst. Und denke darüber nach wie man es schafft so schnell zu denken. Bewundere das.

Ich mag wie sie Dinge betrachtet und wie sie ihren Senf dazu gibt. Weil es so echt ist, so nah am Leben. So wie ich es auch gern sagen würde, aber einfach nicht schnell genug reagiere.

In "Kurt" gibt sie echt Alles. Genau so kann die Realität mit Kind sein, kann eine Beziehung, kann das Leben laufen. Die Dialoge sind großartig. Der kleine und der große Kurt sind es auch.
Ich liebe die zwei. Ich könnte ihnen stundenlang zuhören, zuschauen wie sie so unkompliziert miteinander umgehen. Albern sind. Ein Team.

Und deshalb muss ich das Buch zwischendrin kurz zur Seite legen. Durchatmen, noch mal Kraft tanken. Kurz bevor es zu Kurts Tod kommt. Ich will das nicht. Ich will nicht, dass er nicht mehr da ist. Ich will nicht, dass der große Kurt derartigen Schmerz erfährt. Ich will in meinem Kopf keine Parallele ziehen zum "was wäre, wenn meine eigenen Kinder...", aber ich wusste - all das wird passieren.

"'[...] Trauer kann einen verschwinden lassen, bis man nicht mehr zurückfindet.'" (S. 170)


Ich muss weiterlesen. Kuttner macht das mit mir. Zwingt mich dazu, weil ich ihrer Schreibe, ihrem Ton, ihrem Stil verfallen bin. Mit "Kurt" mehr als zuvor. Und es gibt auch all die vielen Menschen, die "Kurt" schon gelesen haben und die mich dazu auffordern den Mut aufzubringen. Weil Mut belohnt wird und Kuttner es irgendwie schafft aus Traurigkeit Glückseligkeit zu machen. Das darf ich nicht verpassen.

Tatsächlich hab ich dann keine einzige Träne geweint, obwohl Kurts Tod sehr traurig ist. Es ist ein Gefühl in mir gewachsen, dass keine Tränen möchte, aber tief in mir ganz fest kratzt. Mich wund reibt. Doch Kuttner kriegt die Kurve. Das Leben geht ja weiter, auch wenn da plötzlich wer fehlt. Ein doofer Spruch und trotzdem stimmt er. Was nicht stimmt, ist dass die Zeit Wunden heilt. Und irgendwie will man das ja auch gar nicht. Wollen Kurt und Lena das nicht. Sie wollen den kleinen Kurt nicht vergessen, wollen sich an ihn erinnern. Auf ihre Art.

Denn jeder trauert so wie er es will. Das ist gut so und das ist auch erlaubt. Und trotz dieser Trauer, trotz eines tiefen Schmerzes, der von nun an Bestandteil des eigenen Ichs ist, kann man zurück ins Leben finden. 

Kurt und Lena sind gute zurück-ins-Leben-Finder. Es gibt keine Vorlage für diesen Weg und er ist auch kein leichter, aber diese beiden machen das ziemlich super. Natürlich läuft nicht alles glatt - so ist das Leben nun mal - aber sie geben sich nicht auf und sie lassen zu, dass es mal krumme Tage gibt.

Der Verlust von Kurt vor allem eine Achse, um die sich Lenas und Kurts Beziehung dreht. In guten wie in schlechten Tagen. In Trauer und Glück. Und Glück ist es auch, was mich überkommt, als ich das Buch zuklappe. Große Leseempfehlung.


Buchinfo:

S. Fischerverlage (2019)
240 Seiten
gebunden
20,00 €


Rezensionen: 2019, Nanni Eppner



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