„Die Erwachsenen dürfen alles. Sie dürfen von einem
Tag auf den anderen weggehen, ohne sich umzudrehen, mit einer Muschel an ihrem
Rucksack durch die Welt zeihen und lügen, um sich zu schützen.“
Die neunjährige Manon ist verzweifelt. Ihre Mutter ist
weg. Einfach so abgehauen. Von einem Tag auf den Anderen, nachdem sie
wochenlang abends Zuhause gesessen und geweint hat. Manon befürchtet, dass es
mit ihr zusammenhängen könnte. Um die Mutter zur Rückkehr zu Bewegung erfüllt
sie vorsichtshalber Aufgaben: nur auf Gehwegplatten treten, nicht in die
Zwischenräume, die Katzen hundertmal pro Tag streicheln usw.
Was Manon nicht weiß: die Tränen ihrer Mutter rühren
daher, dass diese schon seit langem versucht ein zweites Kind zu bekommen und
mit einer Fehlgeburt nach der anderen kämpfen musste. Darunter leidet die Beziehung zu
Manons Vater und als die Mutter dann verschwindet ist es so, als habe sie ihn
mitgenommen. Teilnahmslos sitzt er vorm Fernseher, trinkt Bier und vergisst
nicht nur sich zu waschen, sondern scheint auch seine kleine Tochter vergessen
zu haben. Wie gut, dass es noch zwei andere Bewohner im Haus gibt. Manons Tante
Sophie und Anatole, der einmal Lehrer war und der nach all den Jahren
vergeblicher Bemühungen Liebschaften zu Frauen zu festigen, seine Gefühle der
Literatur widmet. Als Sophie einen Brief ihrer Schwester bekommt, in dem sie
berichtet, dass sie nun in Marokko lebt, kann Manon und Pierre nichts mehr zu
Hause halten. Und so brechen die beiden in Gesellschaft von Sophie und Anatole
zu einer Reise auf, die ihnen Allen nicht nur Augen, sondern auch Herzen
öffnen.
„ ‚ Wenn ich ein Mädchen mit ihrer Mutter auf der
Straße sehe, denke ich an sie. Mein Herz wird dann ganz schwer, so schwer, dass
ich denke, es fällt auf die Erde und explodiert. ‘ “
„Bäume reisen nachts“ hat sehr widersprüchliche
Gefühle in mir ausgelöst. Es gibt viele Dinge, die ich an dem Roman sehr
mochte, aber auch einige, die mir nicht gefallen haben. Im Endeffekt halten
sich positive und negative Aspekte aber die Waage. Ich habe das Buch sehr gern
und in einem Rutsch durchgelesen. Grund dafür sind vor allem die Charaktere.
Manon, die so sehr darunter leidet, dass ihre Mutter gegangen ist und deshalb
nur sehr schwer in der Realität verweilen kann, der etwas kauzige, aber sehr,
sehr liebenswerte Anatole, Pierre, der so vermisst und Sophie, die sich etwas
sehr mutiges getraut hat. Jeder von ihnen ist mir ans Herz gewachsen und es war
eine wahre Freude, sie auf ihrer Reise zu begleiten. Die Dialoge zwischen den
einzelnen Charakteren sind pfiffig, intelligent und forsch. Typisch französisch
und damit sehr unterhaltsam. Manches wirkte ein wenig aufgesetzt, dem Leser
wurde einiges direkt vor die Nase gesetzt, was das Lesen zwar bequem macht,
mich aber eher stört. Ich möchte gern mitarbeiten, entdecken und auch mal
zwischen den Zeilen lesen. Letztendlich hat es mein Lesevergnügen jedoch nur
minimal geschmälert. Ich habe schon einige Rezensionen gelesen, die das Ende
des Buches bemängeln, doch ich finde, dass es dem Erzählstil und der
Geschwindigkeit angemessen ist.
Aude Le Corff schreibt in ihrem Debüt „Bäume reisen
nachts“ von Menschen, die sich in ihrer Haut nicht wohlfühlen, die in
Schubladen gedrängt, oder von Ereignissen überrollt wurden und dadurch in einem
Käfig eingeschlossen sind. Daraus zu
entfliehen ist mutig, doch es stellt sich die Frage, was man bereit ist in Kauf
zu nehmen, um sich selbst zu finden, um sich selbst frei zu fühlen, um von
anderen auch so gesehen zu werden, wie man tief im Inneren auch aussieht. Fragen,
die den Leser nachhaltig beschäftigen können, wenn er sich diesen denn stellen
möchte. Ich empfehle diesen Roman, der außerdem ein sehr schönes Cover hat,
gerne weiter und hoffe, dass er Leser findet, die sich gut auf diese Geschichte
einlassen können und wie der kleine Prinz, der im Buch so häufig zitiert wird,
ihr Herz für Manon, Anatole und ihre liebenswerten Gefährten öffnen können.
Buchinfo:
Insel (März 2014) (http://suhrkamp.de)
201 Seiten
12,99 €
Übersetzerin: Claudia Steinitz
hier kaufen: http://freiheitsplatz.de
201 Seiten
12,99 €
Übersetzerin: Claudia Steinitz
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(Leider lässt sich gerade nichts verlinken. Ich versuche das nachholen, sobald es wieder möglich ist. Und das Bild will auch nicht kleiner werden. Blöde Technik!!))
Mir ist das Buch gestern in der Onleihe aufgefallen. Ich konnte mit dem kurzen Infotext aber nicht wirklich etwas anfangen und habe mich nur gewundert, dass es bereits über Monate hinweg reserviert ist. Deine Beschreibung nun ist ausführlicher, so dass ich mir gleich viel besser etwas unter dem Buch vorstellen kann.
AntwortenLöschenWas du über das Buch schreibst klingt interessant. Ich mag ja Bücher, die einen mitnehmen, nachdenken lassen und mit diversen Fragen konfrontieren. Irgendwie bin ich mir aber nicht ganz sicher, ob dieses Buch was für mich ist.
Liebe Grüße und gute Nacht,
Julia