17.12.15

Nebelsilber - Tanja Heitmann



Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind;
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

So der Beginn einer meiner Lieblingsballaden. Es ist „Der Erlkönig“ von Johann Wolfgang von Goethe. Eine Ballade von schöner Wortwahl und klingendem Versmaß, aber ebenso traurigem Inhalt, denn der kranke Junge, der in seinen Fieberträumen den Erlkönig erblickt, kann nicht gerettet werden. Er stirbt oder aber fällt dem Erlkönig zum Opfer, je nachdem, wie man das Gedicht interpretiert. Dem Erlkönig wird die Bedeutung zugetan, Kinder zu stehlen. Keiner weiß was in seinen geheimen Höhlen im Wald mit ihnen geschieht. Eine Adaption der Kindesentführung und möglichem Missbrauch. Zu Goethes Zeiten ein unaussprechliches Thema, gern verpackt in Sagen und Mythen.

Das Thema Kindesentführung, inklusive des sagenumwobenen Erlkönigs, greift Tanja Heitmann nun in ihrem neusten Roman auf. Protagonist Silas Sterner verschwindet als 7-jähriger spurlos und kriecht 10 Jahre später aus dem Unterholz. Von Narben übersät und ohne jegliche Erinnerung. Schon als Kind hat er irgendwie zwischen den Welten gelebt, immer wieder von einem Reiter gesprochen, den weder er, noch irgendein anderer Mensch zu Gesicht bekommen hat. Silas hat jedoch nie etwas deutlicher vernommen, als den donnernden Hufschlag eines Pferdes zwischen den Erlen.

Was ich für dich empfinde … Dafür ist keine übernatürliche Gabe verantwortlich, sondern es ist meine Entscheidung, begriff Edie. Keine, die ich in meinem Kopf getroffen habe, sondern mit meinem Herzen.“

Der Hufschlag eines Pferdes ist auch das, was Edie als erstes wahrnimmt, als sie mit ihrem Vater, der sich eine Auszeit seiner Ehe nimmt, auf Wasserruh eintrifft. Sie ist auch diejenige, die dem 17-jährigen Silas zum ersten Mal begegnet. Die anwesend ist, als er aus einer Höhle in der Erde kriecht. Doch warum? Warum ausgerechnet sie? Welche mysteriöse Verbindung besteht zwischen den Beiden? Oder ist es reine Einbildung, weil Edie dabei ist, sich in Silas zu verlieben? Welche Geheimnisse verbirgt er vor ihr?

Zu Anfang kommt die Spannung des Romans etwas schleppend in Gang, doch dann prescht Tanja Heitmann, die bereits erfolgreich einige belletristische Romane, sowie Jugendbücher, darunter die Reihe „Schattenschwingen“ veröffentlicht hat, in vollem Galopp nach vorn. Ein Geheimnis reiht sich ans andere und ich habe nichts sehnsüchtiger erhofft, als hinter Silas Rätsel zu kommen. Gekonnt kombiniert sie die sagenumwobene Geschichte des Erlkönigs mit Romantik. Verbindet Mysteriöses und Fantasy mit der realen Welt. Ich liebe solch ein Spiel mit Einbildung und tatsächlich erlebtem, besonders dann, wenn ich als Leser so mit hineingezogen werde, dass ich irgendwann nicht mehr weiß, was denn nun reell ist und was nicht.

'Was du eine Gabe nennst, ist alles andere als ein Geschenk. Denn wenn du wie ein Licht in der Dunkelheit strahlst, lockst du nicht bloß Nachtfalter an.“ '

Ein weiterer Pluspunkt des Romans sind neben der wunderbar geheimnisvollen Atmosphäre, die Charaktere. Ganz vorn natürlich Edie und Silas, die im Mittelpunkt stehen und die Geschichte mit ihrer Gabe, ihrem feinen Gespür für Mysteriöses tragen. Aber auch die Nebenfiguren haben es in sich. Sind sehr gut ausgewählt, kreiert als sympathische Außenseiter. Etwas verrückt, aber mit viel Herz.


„Nebelsilber“ ist ein spannendes Must Read für alle Fans der Romantasy. Ohne Kitsch, aber mit viel Spielraum für Spekulationen, vereint Autorin Tanja Heitmann die geheimnisvolle Sage um den Erlkönig, den Prinz der Dunkelheit, der kleine Kinder entführt, und der Möglichkeit, sich den Feinheiten und Eigenarten der Natur „zwischen den Welten“ zu öffnen. Abgerundet mit einer netten Liebesgeschichte und einem sehr stimmigen Ende, hat mir dieser Roman ein sehr kurzweiliges (innerhalb weniger Stunden verschlungen!) Lesevergnügen bereitet.

Buchinfo:

cbt (November 2015)
400 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
ab 13 Jahren
16,99 €

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4 Kommentare:

  1. Oh man :D
    Bisher habe ich Abstand vom Buch genommen, weil der KT mich nicht richtig ansprach, aber nun ...
    Für alle Fans der Romantasy? Ohne Kitsch? *husthust* :D

    LG ♥
    Anna

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    1. Hallo Anna,

      also ich fand es nicht kitschig :D
      Man muss allerdings schon ein bisschen bereit sein, sich auf diese Kombination "Zwischen die Welten" schauen, Sagen und Mythen und Realität einlassen können. Es ist vielleicht auch keine klassische Romantasy, aber ich fand es sehr spannend.
      Vielleicht überlegst du es dir ja nochmal ;)

      LG Nanni

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    2. Hey Nanni :)
      Ähm das war ernst gemeint :D
      Das *husthust* sollte hier heißen xD
      Du hast mich nämlich echt heiß auf das Buch gemacht :P

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    3. Liebe Anna,

      das ist auch meine volle Absicht :D

      LG

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