„Ich habe etwas
über deinen Großvater herausgefunden, flüstert meine Mutter.“
Ein Satz, der viele Fragen beantwortet, vieles erklärt, was zuvor
undurchsichtig war, was Anna Stein, ihren Töchtern und ihrer Enkelin
– der Protagonistin und Ich Erzählerin des Romans – ein Leben
lang Rätsel aufgegeben hat. Etwas, das sie verfolgt und ihnen
unbewusste Handlungsmuster auferlegt hat.
Anna Stein ist eine
schwierige Frau. Unnahbar für ihre Töchter und Enkel, oftmals
entrückt, verbittert und fehl am Platz. Was keinem so richtig klar
ist – sie ist ein Kriegsflüchtling. Hat die Heimat in Zeiten der
Not verlassen, um überleben zu können. Doch im Krieg war es überall
schwierig. Hier, wie da.
Gewalt und Hass
haben sich ausgebreitet, haben genommen, was sie kriegen konnten und
sind auch Jahre später nicht abgezogen. Belasten die breite Masse,
aber auch viele Einzelschicksale. Autorin Sabine Rennefanz
verdeutlicht, wie diese untergehen im Schrecken, den die Vernichtung
einer Glaubensrichtung, das Abschlachten von Menschen anderer
Einstellung, Aussehen und Denkweise, mit sich bringt.
„Erst
jetzt verstehe ich, dass es ein Erbstück unserer Familie ist, diese
Angst, die von einer Tochter zur nächsten vererbt wird.“
Ängste werden
häufig von Generation zu Generation weiter getragen. Vor allem dann,
wenn sie so tief sitzen, wie bei Anna Stein, die nicht nur den Krieg,
sondern eine Person im besonderen fürchtet. Sie verändern
Charakter, Verhalten und den Umgang mit anderen Menschen. Je enger
die Verbindung desto stärker sind sie von den Handlungen ihrer
Nahestehenden betroffen.
Verlustängste und
Bindungsschwierigkeiten gehen Hand in Hand. Verliert eine Generation
ihre Wurzeln, hängen auch die folgenden Generationen in der Luft.
Wie will man sich verankern, wenn es keinen Anker gibt, der einem die
Hand reicht? Wie begegnet man der Scham, die sich seit Generationen
manifestiert?
„Dahinter
steckt auch ein Abwehrmechanismus: Im Vergleich zum Holocaust
erscheint die Brutalität in den Beziehungen zwischen Männern und
Frauen nach dem Krieg harmlos.“
Sabine Rennefanz
verdeutlicht auf anschauliche, sowie eindringliche Art, über wie
viele Generationen hinweg der zweite Weltkrieg nachhallt. Das
Schicksal von Anna Stein ist kein Einzelfall. Wie viele andere Frauen
auch, ist sie Opfer von Gewalt geworden, hat versucht diese zu
verharmlosen und die Schuld bei sich selbst gesucht. Hat versucht bei
ihrer Tochter etwas gut zu machen, woran diese überhaupt keinen
Anteil hat, und sie somit nur tiefer hineingezogen. Hat ihr Trauma zu
dem der nachfolgenden Generationen gemacht.
„Die Mutter meiner
Mutter“ hat mich sehr bewegt, denn es zeigt, wie lange Gewalt
nachwirkt. Wie viele noch heute an den Gräueltaten des zweiten
Weltkriegs leiden, egal ob direkt oder indirekt betroffen. Aus meiner
Arbeit weiß ich wie langwierig Traumata und Ängste bestehen, werde
dort immer wieder damit konfrontiert, dass sich negative Erlebnisse
wie Gewalt, Missbrauch, Alkoholkonsum über Generationen durchziehen,
dass Verhaltensmuster von einer Generation zur Nächsten weiter
gegeben werden. Sabine Rennefanz stellt diese Problematik in ihrem
Roman so dar, dass sie auch für Psychologie Laien leicht
verständlich ist. Verpackt sie zudem in einer Geschichte, die sich
gut und gern lesen lässt, auch wenn sie teilweise bedrückend ist.
Interessant geschrieben, ohne zu sehr in einen Sachbuchcharakter zu
fallen. Lesenswert!
Buchinfo:
Luchterhand
(September 2015)
256
Seiten
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