25.08.16

George - Alex Gino



George ist im Körper eines Jungen geboren. Doch als Junge fühlt sie sich nun mal nicht. Gerne wäre sie ein Mädchen. Würde sich ihr seidiges Haar kämmen, schöne Kleider tragen und Pyjamapartys mit ihren Freundinnen feiern.

Niemand sieht was in ihr vorgeht. Dass sich der Körper falsch anfühlt und der Geist keine Möglichkeit hat sich frei zu entfalten. Wie soll sie ihren Mitmenschen, ihrer Familie, erklären, dass es tief in ihr drin brodelt und dass dieser Vulkan sie verbrennen wird, wenn es nicht bald zum Ausbruch kommt? Einem Ausbruch, der Mut erfordert. Der sie in ein anderes Licht stellen würde. Der auf sehr viel Gegenwehr treffen würde. Der sie ein ganz Stück glücklicher machen würde.

Aber George hatte kein normales Problem. Sie hatte keine Angst vor Schlangen; sie hatte keinen Mathe-Test verhauen. Die war ein Mädchen, aber das wusste keiner.“

Mit großer Begeisterung habe ich „George“, dieses kleine feine Büchlein, das gerade mal etwas mehr als 200 Seiten hat, gelesen. Es ist so klug, so aufrüttelnd, so emotional. Autor Alex Gino setzt das Thema Transgender so um, dass jeder, der dieses Buch liest, ganz sicher niemanden der sich im falschen Körper fühlt, schief ansehen wird.

Ich weiß nicht mehr genau wie alt George ist, aber sie ist noch näher am Kind sein, als auf dem steinigen Weg in die Pubertät des Jugendalters. Klug gewählt von Gino, denn so verleiht er Georges Wunsch sie selbst sein zu können, durch den naiven Erzählton ihres Alters mehr Nachdruck. Ohne, dass der Leser Gefahr läuft Transgender auf Sexualität zu reduzieren.

Es fällt leicht George ernst zu nehmen. Denn es fällt leicht sie zu verstehen. Bewusst nutze ich die weibliche Form der dritten Person, denn das macht der Autor auch, weil George nun mal ein Mädchen ist und kein Junge, ganz gleich welchen Namen ihre Eltern ihr gegeben haben. Ganz egal, wie ihr Äußeres wirkt. Ihr Körper ist für sie derzeit nur eine Hülle. Eine lästige Hülle, die sie nicht dafür nutzen kann, um sich auszudrücken.

Und das ist genau das, was Alex Gino so perfekt hinbekommt. Er zeigt, dass Transgender sein so viel mehr bedeutet, als Jungs- oder Mädchenkleidung zu tragen. Als allererstes bedeutet es eine schwere Last zu tragen, denn von den Allerwenigsten ist Verständnis zu erwarten. In der Regel nicht mal von der eigenen Familie, denn es entspricht nun mal nicht der Norm sich in ein anderes Geschlecht zu wünschen und alles was nicht der Norm entspricht, ruft Ängste hervor.

Ein kleines bisschen nachvollziehbar, denn ich wünsche meinem eigenen Kind, das es im richtigen Körper geboren ist. Ich stelle es mir unheimlich schwierig vor Körper und Geist in Einklang zu bringen, wenn sie gegeneinander arbeiten. Das vermittelt uns auch George, die – wie bereits angesprochen, sich eben nicht wie alle anderen über Kleidung und Frisur ausdrücken kann. Das tägliche Gefühl verkleidet zu sein, in eine Rolle schlüpfen zu müssen, finde ich extrem anstrengend.

Bücher wie „George“ sollten reichlich gekauft, gelesen und verschenkt werden. Es bringt Licht in ein noch sehr wenig beleuchtetes Thema, das sicherlich in vielen Familien unter den Tisch gekehrt wird. Ich glaube, dass es tatsächlich leider so ist, dass in der Realität die wenigsten Schicksale so eine positive Richtung einschlagen, wie das von George. Und warum? Weil Transgender auf zu wenig Toleranz treffen. Alex Gino arbeitet dagegen. Er betreibt Aufklärung, sorgt für Verständnis, macht Hoffnung und Mut. Ein toller Roman. Einfühlsam und eindringlich. Ein Roman, der für ein besseres Miteinander sorgen kann.

Buchinfo:


Fischer (August 2016)
208 Seiten
Gebunden mit Schutzumschlag
14,99 €
Übersetzung: Alexander Ernst

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