Für Tiddo, Isa und ihren Sohn Jonathan soll es die Reise ihres Lebens werden, mit dem Wohnmobil durch Island. Schon immer hat es sie auf die mystische Insel gezogen. Nun endlich wird es was, muss es was werden – Tiddo erhofft sich von der Reise nicht weniger als die Rettung seiner Ehe. Doch dann nehmen die drei auf ihrem Roadtrip einen merkwürdigen Anhalter mit, der immer neue Gründe findet, um weiter mitzureisen. Der Fremde durchbricht die Zurückhaltung Jonathans, fasziniert Isa und fordert Tiddo heraus. Als das fragile Gleichgewicht der Familie endgültig zu kippen droht, sieht Tiddo in einer halsbrecherischen Fahrt zum Kratersee Öskjuvatn den einzigen Ausweg.
Wie weit geht ein Mensch, der Gefahr läuft, alles zu verlieren?(Text & Cover: © S. Fischerverlage; Foto: © N. Eppner)
Welchen Sog entwickelt bitte dieses Buch? Nach wenigen Sätzen war ich schon mittendrin im Geschehen, konnte es kaum erwarten den Anhalter kennenzulernen und seinem Geheimnis, seiner Düsternis, der von ihm drohenden Gefahr auf den Grund zu gehen.
Eigentlich ist die Basis, um die van der Werf seine Geschichte strickt, keine Neue. Tiddo und Isa sind seit Jahren verheiratet. Als Außenstehende frage ich mich wie sie überhaupt zueinander finden konnten. Warum ihre Ehe schon so lange hält. Isa ist Wissenschaftlerin, analysiert, sucht nach Wahrheit, geht in die Tiefe, ist dabei aber wenig empathisch. Tiddo sucht Nähe, Wärme, Geborgenheit. Wünscht sich ein besseres Verhältnis zum Sohn, denkt mit Verständnis an die Fehler, die seine Mutter in der Erziehung begangen hat.
Das Machtverhältnis zwischen Tiddo und Isa ist verschoben. Nicht gleichberechtigt, sondern eher wie das zwischen Mutter und Sohn. Isa versucht permanent zu erziehen, Fehler an Tiddo zu finden uns auszumerzen. Gefühlt versucht sie aus ihm eine perfektere Version zu machen, die er nicht sein kann. Tiddo traut sich nicht für sich einzustehen, nicht seine Wünsche zu äußern, seine Bedürfnisse in Worte zu fassen. Er sieht seine Felle davon schwimmen, bleibt aber weiterhin eher passiv.
Das ändert sich, als sie den Anhalter mitnehmen. Einen Baum von Mann, der Tiddo und Jonathan kumpelhaft begegnet und Isa mit Schmeicheleien umgarnt, für die sie mit ihrer kühlen Art immun ist. Doch Tiddo, Isa und Jonathan befinden sich auf Island. Der Insel, auf der göttliche Fügung möglich ist und magische Dinge passieren.
Eine zerrüttete Ehe, der Wunsch nach mehr Nähe zwischen Partnern und / oder Eltern. Nicht neu, aber von Gerwin van der Werf auf unglaublich spannende Art erzählt. Er spielt mit den Ängsten seiner Protagonisten, mit dunklen Geheimnissen und wandelt irgendwo zwischen Realität und Fantasie. Am Ende des Romans frage ich mich, ob der Anhalter ein Mensch ist, wie er uns begegnen kann oder ob wir nicht alle etwas in uns tragen, das sich zu einer Macht wie dem Anhalter bündeln kann?
Packend erzählt zieht van der Werf mich in eine immer wieder düster werdende Atmosphäre. Spielt mit Ängsten und Fehlern. Mit Menschlichkeit und Macht. Ganz klare Leseempfehlung für diesen handwerklich wie inhaltlich großartigen Roman.
Buchinfo:
S. Fischerverlage (2020)
288 Seiten
Hardcover 20,00 €
Übersetzung: Marlene Müller-Haas
Rezensionen: ©2020, Nanni Eppner
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