05.12.20

Gestüt Sommerroth 01: Emilies Erbe | Bianca Elliott


 

OSTPREUßEN 1945:
Für die zwanzigjährige Emilie ist das Gut Zimny in Ostpreußen der schönste Ort der Welt. Hier widmet sie sich ganz der Zucht ihrer geliebten Trakehner Pferde. Doch als die Rote Armee angreift, muss die Gutsherrntochter überstürzt fliehen. Inmitten größter Not trifft sie auf Leutnant Johann Sommerroth, der ihr und den Pferden in den Westen helfen will. Erstmals schöpft sie wieder Hoffnung. Dabei ahnt Emilie nicht, welche schweren Prüfungen noch vor ihr liegen.

SCHLESWIG-HOLSTEIN 2020:
Während der Vorbereitungen für das diesjährige Familientreffen auf Gestüt Sommerroth, sieht Marisa eine alte Dame auf der Allee zum elterlichen Anwesen. Es ist Emilie – ihre lange verschollene Großmutter, über die nie jemand spricht! Nur wenig später wird Marisa klar, die Vergangenheit des Gestüts enthält ein dunkles Kapitel. Aber was genau ist vor dreißig Jahren geschehen?
(Text & Cover: © Tinte & Feder; Foto: © N. Eppner)

Mit Tränen in den Augen und einem dicken Kloß im Hals beende ich "Emilies Erbe". Die Geschichte hat mich sehr berührt. Hat in mir Traurigkeit und Wut geweckt. Mich tief bewegt.

Es ist das Jahr 1945, als die Rote Armee die deutsche Front überrennt und Nationalsozialistische Regierung immer noch davon ausgeht, dass der Endsieg auf deutscher Seite sein wird. Ein Evakuierungsverbot wird ausgesprochen, doch Emilie von Zimny folgt den Anweisungen ihres Vaters und flieht mit den Bewohnern des Gutshauses, sowie den Pferden der von Zimnys. Darunter Trakehnerzuchtstuten. Fluchtziel ist das Landesgestüt Trakehnen, Hauptsitz der Zucht edler Trakehnerpferde, unter der Leitung von Gestütsmeister Ehlert, einem Freund des Gutsherren von Zimny. 

Eine Flucht in Schnee und Eis. In Kälte, Hunger und Not. Eine Flucht, wie ich sie nicht erleben möchte. Frauen, Kinder, Alte und Junge. Mit der Kleidung, die sie am Leib tragen und nur wenigem Hab und Gut. Die Pferde sind es, denen die Überlebenden verdanken, dass sie überhaupt eine Chance hatten. Sie zogen die Wagen durch schweren Untergrund, obwohl auch ihnen Kälte und Hunger zusetzte. 

Immer wieder sind sie Angriffen durch feindliche Soldaten, durch Flugzeuge oder Bomben ausgesetzt. Jede*r kämpft ums Überleben. Zwei- wie Vierbeiner.

Auf der Flucht trifft Emilie auf ihren Vater, der von einem NS-Soldaten verfolgt wird. Er hat von Zimny auf dem Kieker. Trachtet ihm nach dem sowieso schon gefährdeten Leben. Doch von Zimny hat einen Freund gefunden, der ihm auch in Lebensgefahr zur Seite steht. Johann Sommerroth aus Schleswig Holstein.

Dorthin reisen wir über die zweite Ebene des Romans. Es ist das Jahr 2020. Auf Sommerroth findet ein Familientreffen statt. Plötzlich taucht Emilie dort auf. Mit all ihren Geheimnissen und Erfahrungen aus der Vergangenheit. Sie wirbelt das Familienleben ordentlich durcheinander und erstmals wird über die schlimmen Erlebnisse des Kriegs und der Zeit danach gesprochen.

Die Rückblenden ins Jahr 1945 sind extrem spannend und Nervenaufreibend. Es sind vor allem die Szenen der Flucht, die mich emotional stark aufgerüttelt und berührt haben. Wenn ich solche Geschichten lese, die zwar fiktiv, aber mit so viel reellen Sequenzen gefüllt sind, kocht in mir die Wut hoch darüber, dass es immer noch Menschen gibt, die nicht verstehen, dass solch eine Zeit nie wieder kommen darf. Und dass unsere Situation während des Corona Lockdowns nicht mal ansatzweise damit vergleichbar ist. 

Als Pferdemächen hat mich natürlich besonders der Bezug zur Geschichte der Trakehnerpferde berührt. Die Flucht aus dem Landesgestüt (damals hieß es glaube ich Staatsgestüt) ist keine Fiktion. Das Gestüt, das einst eine sehr besondere, leistungsstarke und widerstandsfähige Rasse beherbergte, liegt heute in Schutt und Asche. Der Krieg hat nicht nur viele Leben gekostet, sondern auch viele kulturelle Schätze ausgelöscht.

Bianca Elliott, ein Pseudonym der Autorin Joël Tan, zeichnet ein sehr realistisches Bild der Kriegszeit, das mir sehr nahe ging. Ihre Figuren sind lebendig und wecken ebenfalls Emotionen in mir. Nicht nur positive, aber das ist ja von der Autorin so gewollt. Die Rückblende ins Jahr 1945 gefiel mir etwas besser, als der Erzählstrang der Gegenwart, aber gemeinsam funktionieren sie richtig gut und lassen den Roman zu einem wirklich sehr berührenden (ich kann es nicht oft genug sagen) und lesenswerten Buch werden. Ich kann es kaum erwarten Band 2 "Emilies Weg" zu lesen, der im Sommer 2021 erscheinen wird, und für den die Autorin schon einige Appetithäppchen im ersten Band ausgelegt hat.


Buchinfo:
415 Seiten
Taschenbuch 9,81 €


 Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner

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