08.04.22

Schildmaid | Judith und Christian Vogt





Eine göttliche Stimme aus der tiefgrünen See.

Ein blaues Segel in einem Traum.
Und der Aufbruch zu einer Reise, von der es kein Zurück mehr gibt ...

Seit sieben Jahren baut die Einzelgängerin Eyvor ein Drachenboot in einem Fjord. Als sich immer mehr Außenseiterinnen um sie scharen, wird sie unerwartet zur Kapitänin eines Schiffes, das eigentlich niemals in See stechen sollte.
Die Letzte, die sich ihr anschließt, ist Herdis, das Krähenkind: Verfolgt von Berserkern zwingt sie die Gruppe zum Aufbruch. Es beginnt ein tödliches Wettrennen vom skandinavischen Festland bis ins Land der Eisriesen hinein, an dessen Ende nichts Geringeres droht als Ragnarök, das Weltenende selbst.

Mystisch, mitreißend und abenteuerlich: eine moderne Neuinterpretation nordischer Sagen.
(Text & Cover: ©Piper; Foto: ©N. Eppner)


Jedes Mal, wenn ich ein neues Buch von Judith und Christian Vogt lese, denke ich."Das ist jetzt aber wirklich ihr bestes!" Was ja eigentlich eine sehr subjektive Aussage in Bezug auf den Lesegeschmack aller Leser*innen, aber auch meine eigene Positionierung im Leben ist. Mit "Schildmaid" haben die beiden definitiv meinen Geschmack einer Held*innenreise getroffen und mich an einem Punkt erwischt, der mir gerade besonders wichtig ist: Feminismus bzw. Gleichstellung aller Personen in jeglichen Belangen.





Eyvor, Skade, Herdis - drei von vielen Frauen, die sich ihrem Leben, das von Männern bestimmt wird, von deren Glauben, dass eine Frau sich den Wünschen des Mannes zu unterwerfen hat, entziehen wollen. Sie sammeln sich auf einem Schiff, das Eyvor gebaut hat. Einem Schiff, das sicher nie schwimmen wird, denn seit wann können Frauen denn Schiffe bauen. Die göttliche Macht Dinge zu erschaffen ist den Männern vorbehalten und so ist es die Hilfe einer Göttin, die ihnen den Anstoß gibt, ins Meer zu stechen. Und Ivar, der in seiner Barbarenwut androht, seine Frau Skade notfalls mit Gewalt zurückzuholen. Ein Wettrennen gegen Ivar und seine Mannschaft beginnt und bringt Eyvor und ihre Schildmaide in tödliche Gefahr. 

Es ist die intrinsiche Motivation nach Freiheit und Selbstbestimmung, die Eyvor, Skade, Tinna und die anderen Frauen immer weitersegeln lässt. Kein Mann bestimmt was sie denken, fühlen und tun sollen. Wo auch immer sie an Land gehen und auf Männer treffen, werden sie belächelt und unterschätzt. Frauen können dies nicht und das nicht, ihre wahre Bestimmung ist es dem Mann unterlegen zu sein und sich um ihn zu kümmern. Auf ganz feine Art, mit klugen Worten und Denkanstößen, die in dieser Fantasiewelt so nah am realen Leben sind, dass ich mich selbst in den Frauen der Skjaldmaer wiederentdecke, zeigen Judith und Christian wie fest wir in patriarchalen Denkmustern feststecken. Und das auf vielen verschiedenen Ebenen.





Die weiblich gelesenen Personen auf dem Schiff bringen alle ihre Geschichte mit, die vom gesellschaftlichen Muster dieses Denkens beeinflusst werden. Ob es die Fremdbestimmung über den weiblichen Körper ist, ob das Herunterspielen weiblicher Fähigkeiten oder die Intoleranz gegenüber nicht geschlechterspezifischem Verhalten, das alles findet seinen Platz in einem Roman, der vor Spannung zu explodieren droht. Das Leiden, das all die Figuren in ihrem Leben durchmachen mussten, beginnt leise und nimmt sich mehr und mehr Raum und lautstark nach Gerechtigkeit zu brüllen. Im selben Tempo gewinnt die Geschichte an Fahrt, so dass ich sie kaum aus den Händen legen konnte.

Ich habe es schon einmal gesagt und wiederhole es gerne: Judith und Christian geben Menschen eine Stimme, die vom Patriarchat, von Misogynie, von Intoleranz klein gehalten werden sollen. Und mir. Mit ihrer Aufklärung, mit dem Erkennen und Aufbrechen von Strukturen. Und als wäre es ein klacks, erdenken sie sich eine wirklich großartige Wikinger*innensaga, die fesselnd, atmosphärisch und von beeindruckender Authentizität ist. Ein absoluter Lesegenuss für alle, die gerne in die Zeit der Wikinger*innen eintauchen und ein bereicherndes Werk für diejenigen, die alte Strukturen aufbrechen und für Gleichberechtigung kämpfen möchten.


Buchinfo:

Piper (2022)
448 Seiten
Klappenbroschur, 16 €


Rezensionen: © 2022, Nanni Eppner

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